Humorkritik | April 2013

April 2013

Alle Franz Xavers

Zweierlei muß man dem Spiegel, diesem spätestens seit St. Austs Regnum von Jahr zu Jahr dümmer und nunmehr bar jeden relevanten Inhaltes und bar jeden sprachlichen Stilgefühls vor sich hin plappernden Journal, doch zugute halten – zum einen, daß der Verlag sämtliche Jahrgänge seit der Gründung 1947 in einem vorerst kostenlos nutzbaren Online-Archiv vollständig zugänglich gemacht hat; und zum anderen, daß dort einst wohl auch ein paar halbwegs komisch begabte Redakteursgestalten herumgammelten. Anders kann ich mir die folgende Pretiose aus der Rubrik »Personalien« aus Heft 51/1962 nicht erklären – und zwar über den weitgehend vergessenen CSU-Bundestagsabgeordneten, Viehhändler und reaktionären Scherzkeks Franz Xaver Unertl:

»Franz Xaver Unertl, 51, Bayernsymbol im Bundestag, verbreitete im Bundeshaus einen selbstverfertigten Text über die Hochzeit seines Sohnes, des Metzgermeisters Franz Xaver Unertl jr., 26, mit der Tochter Berta des Gutsbesitzers Franz Xaver Stadlberger aus Eggersham, die am Xaverienstag, dem Namenstag des Heiligen Franz Xaver, heirateten. Das Paar wurde von dem Bürgermeister Franz Xaver Stapfer standesamtlich und von Prodekan Franz Xaver Peter kirchlich getraut. Die Übergabe der Metzgerei vom Vater an den Sohn Unertl vollzog der Notar Franz Xaver Nowak. Ein Hochzeitsgedicht sprach der Unertl-Enkel Franz Xaver Unertl. Als Hochzeitsgast erschien der Bruder der Braut, Franz Xaver Stadlberger. Das Hochzeitsessen besorgten der Unertl-Metzger Franz Xaver Meyer und der Bäcker Franz Xaver Stahlbauer. Chauffiert wurde das Brautpaar von dem Fabrikanten Franz Xaver Greisel. Die Hochzeitsmusik machte die Kapelle Franz Xaver Gerleigner, den Kirchenchor dirigierte Kapellmeister Franz Xaver Diesl, und zu den Gratulanten gehörten der CSU-Bundestagsabgeordnete Franz Xaver Seidl, der Münchner Staatssekretär Franz Xaver Lippert sowie der Abt des Stiftes Göttweig bei Krems, Franz Xaver Zedinek.«

Ob uns da Franz Xaver Unertl (siehe auch »So war Franz Xaver Unertl – Ein Bayer in Bonn. Anekdoten über den CSU-Abgeordneten«, Passau 1971) einen Bären aufgebunden hat – oder gar der Spiegel, denn den »Xaverienstag« findet man via Google nur in obigem Artikel –, weiß ich nicht und ist mir wurscht. Ich mußte lachen. Darauf ein untrüglich exzellentes Unertl-Weißbier!

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt