Humorkritik | September 2012

September 2012

Immerhin produktiv

Der amerikanische Komiker Will Ferrell ist 45 Jahre alt und dürfte, seit er vor gut zehn Jahren als Weihnachts-»Elf« populär geworden ist, in fast ebensovielen Spielfilmen aufgetreten sein; meist sogar in Hauptrollen. Abgesehen von anspruchsvolleren Projekten wie »Stranger than Fiction« oder Woody Allens »Melinda and Melinda« waren das meist Genreparodien: bevorzugt Sportlerfilme wie »The Ballad of Ricky Bobby« oder »Blades of Glory«, wo Ferrell einen Eiskunstläufer spielt, der mit seinem schwulen Partner im Paarlauf antritt.

Diese Vorliebe überrascht mich insofern, als mich gerade seine plumpe Körperlichkeit stets gestört hat, deren Aufdringlichkeit Ferrells Erscheinung jene Eleganz und Grazie versagt, die ich an Komikern so schätze. Andererseits werden die Helden in amerikanischen Komödien, sogar in den romantischen, zusehends fetter und fleischiger. Ferrell liegt also sozusagen fett im Trend.

Dennoch kann ich ihm einen gewissen Respekt nicht versagen, für seine Radikalität zumindest, denn er achtet in seinen Parodien keine Geschmacksgrenzen und geht auch formal weit und immer weiter. Sein bisher letzter Versuch »Casa de mi Padre« ist selbst im amerikanischen Original vollständig untertitelt, da alle Darsteller, inklusive Ferrell, durchgehend ein dubioses Mexikanisch sprechen. Was hier parodiert werden soll, kann ich erahnen: mexikanische Western, die in wirklich jeder Hinsicht extrem billig produziert sind und deren Dürftigkeit, was Handlung, Sets, Dialog, Schauspielerei, Effekte usw. betrifft, also nicht einfach zu unterbieten ist. Wie ja überhaupt das schlechthin Mißlungene zum Gegenstand einer Parodie selten taugt. Würde hierzulande jemand auf die Idee kommen, sagen wir mal TV-Krimis aus der polnischen Produktion der 80er Jahre abendfüllend parodieren zu wollen, so bezweifle ich sehr, ob man ihm das nötige Geld dafür gäbe. Abseitiges kommt eher aus Hollywood als aus Europa.

Lohnt sich die Mühe? Im Fall von »Casa de mi Padre« definitotalemente no! Schon weil diese Parodie genauso lang sein müßte wie die Vorlagen. Nach einer guten halben Stunde – und so ging es mir in vielen von Ferrells Filmen – hat man, bei aller Liebe zu Details, genug gesehen: Mas de meno este nada. ¿Capito?

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg