Humorkritik | März 2012
März 2012

Zettl
Da nun schon restlos alle auf Helmut Dietls Opus-jetzt-doch-nicht-so-magnum herumhacken, die Kritiker höhnen und die Zuschauer in Massen die Kinos meiden, da müßte man dem Armen ja fast schon wieder beispringen. Aber es geht nicht. Auch ich habe »Zettl« ein-hun-dert-und-neun quälende Minuten lang abgesessen. Die anfängliche Bereitschaft, sich unterhalten zu lassen, schlug um in Langeweile, schließlich Entsetzen. Nein, so kann man es absolut nicht mehr machen – wenn es denn je erlaubt war. Obwohl die einfältige Filmmusik zäh versuchte, etwas halbwegs Schwereloses in die anfänglich wirre Szenenfolge zu bringen, hat der Film nichts Leichtes, gar Spielerisches. Im München der Siebzigerjahre entdeckte Dietl sein Tempo, den nonchalant einherschwingenden Reigen, seine typische Szenen- und Regiesprache, seine Themen – und vor allem gute Gesichter: noch unverbrauchte Schauspieler wie Helmut Fischer, Towje W. Kleiner, Günther Maria Halmer, Karl Obermayr u.v.a.m., denen man gerne und mit wachsender Begeisterung, zuletzt fast süchtig zuschaute.
Mit seiner Kino-Fortsetzung der Fernsehserie »Kir Royal« versucht Dietl indes, eine schwergängige VIP-Schaukel in Schwung zu bringen – doch da ist nur Ächzen im Gebälk. Bei jedem Schauspielerauftritt zuckt man zusammen, ob man den oder die kennt, kennen muß oder nur verkannt hat. War im Rahmen des schamlos durch alle Blätter rollenden Medien-Vorausgewitters überall zu lesen, welch perfektionistischer Komiksachwalter Dietl doch sei – im Film war davon nichts zu sehen. »Zettl« wirkt, als habe jeder Schauspieler nach Herzenslust improvisierend einherblödeln dürfen; einen besonders unangenehmen Eindruck hinterlassen hier der leider schon wieder rumschwäbelnde Harald Schmidt und der völlig unbegabt schwyzerdütschelnde Ulrich Tukur. Gegen die beiden wirkt Hauptdarsteller Bully Herbig regelrecht erfrischend.
Die planlose Chargiererei, vor allem in den über schlechtes Schülertheater nicht hinauskommenden Talkshow-Parodieszenen, dazu die angestrengt komisch sein wollenden Dialoge (Co-Autor B. v. St.-Barre dürfte für das Einstreuen der Vokabeln »Internet« und »Twitter« zuständig gewesen sein), umweht von einer geradezu lächerlich kommentierenden Musik (Deutschlandhymne bei den peinlichen Auftritten des Götz-George-Kanzlers), darüber hinaus so dämliche Einfälle wie den, am Computer Berlinbilder mit New-York-Elementen zu vermischen – dies alles führt zu schwerem Unbehagen im Zuschauerraum und der nun als gefestigt anzusehenden Erkenntnis, daß Helmut Dietl, Schöpfer unvergeßlich schöner und komischer TV-Serien, Kino einfach nicht kann.
Hatte »Schtonk!« möglicherweise noch helle Momente, war »Rossini« aber schon eine von schwerer Bedeutungshuberei getragene Peinlichkeit, »Late Show« bereits eine Totgeburt und »Vom Suchen und Finden der Liebe« eine rechte Zumutung. Zu allem filmischen Unglück wirkt Dietls schlecht ausgedachte Affäre rund um einen verbleichenden Bundeskanzler gerade vor dem aktuellen Hintergrund eines echten, live sich auflösenden Bundespräsidenten ganz besonders obsolet und schwer daneben.
»Zettl« ist ein Totalausfall: Von der Regie übers Drehbuch bis zur Besetzung schaut und hört man nur Verlierern zu. Obwohl – einen echten und tatsächlichen Gewinner gibt es: den Hauptdarsteller des Fernseh-Kir-Royal, Franz Xaver Kroetz. Weil er, wohl Böses ahnend, lieber nicht mitgespielt hat.