Humorkritik | Januar 2012

Januar 2012

Karaseks Witz

Der gewichtige Kritiker Hellmuth Karasek hat ein Buch verfaßt namens »Soll das ein Witz sein? Humor ist, wenn man trotzdem lacht« (Quadriga). Warum? Weil er und Eckart von Hirschhausen »von Wein und Pasta beflügelt« sich in einer Kneipe auf Sylt derart »die Pointen um die Ohren hauten«, daß man im Nachhinein befand: »Man hätte dabeisein müssen« – so erzählt es der Witzarzt im Vorwort.
Wer das Pech hatte, bei der pastabeflügelten Pointenhauerei nicht dabeigewesen zu sein, bekommt nun erst recht so einiges aufgetischt. Schon auf der ersten Seite des ersten Kapitels verwechselt Karasek Agnostiker mit Atheisten, leitet dafür aber den seit Jahrzehnten im Volksmund verankerten »Freudschen Versprecher« umständlich her, weil es sich dabei angeblich um einen »stehenden Begriff des psychoanalytisch gebildeten Publikums« handelt. Da verklärt einer das Allerweltswissen zu einer Hochbildung, auf die er selbst nur äußerst sporadisch zurückgreifen kann.
Gleich wo man das Buch aufschlägt, auf jeder Seite findet man eine neue Karaseksche Dummheit: »Nicht die Engländer haben einen anderen Humor, sondern sie sprechen einfach eine total andere Sprache.« (S. 49) »Witze über Medizin sind zwangsläufig zynisch.« (S. 373) Und der jüdische Witz »ist ein deutschsprachiger Witz, weil Sigmund Freud ihn in seiner Psychoanalyse des Witzes in Deutsch auf seine Couch gelegt hat.« (S. 81)

Karaseks schon beeindruckende Unfähigkeit, gute Witze auszuwählen, sie gar
zu erzählen, zu analysieren oder auch nur einzuordnen, seine allgegenwärtige Schmierig- und Beliebigkeit zeigt sich etwa auf Seite 120: »Ähnliches gibt es als Klein-Erna-Witz, wo sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Hygiene und sexuelle Fummelei. Hein geht mit Klein Erna spazieren. Sie sitzen lange knutschend auf einer Bank, bis es dunkel wird. Auf dem Heimweg sagt Klein Erna: ›Du, Hein, du kannst doch so schön auf zwei Fingern pfeifen, hol uns doch mal ein Taxi.‹ Hein führt Zeige- und Mittelfinger zum Mund, wobei er aus Versehen einatmet, und sagt: ›Ach, gehen wir lieber zu Fuß.‹ Die verkürzte Version dieses Witzes ist: Ein Blinder geht aus Versehen in einen Fischladen und ruft: ›Hallo Mädels!‹«

Ich möchte den umständlich kaputterzählten Klein-Erna-Witz lieber nicht verstehen, weil mir schwant, daß Freude an ihm nur haben kann, wer bei der Lustsuche (die Komik ja auch ist) spätestens in der Adoleszenz steckengeblieben ist. Obendrein findet sich in beiden Witzen die völlig überflüssige Formulierung »aus Versehen«. Sie ist wohl Karaseks ganz persönliche Freudsche Fehlleistung: Immer wieder holt sein Unbewußtes diese Wendung hervor; wohl weil es ahnt, daß nichts, was er zu Papier bringt, einer irgendwie gearteten intellektuellen Intention folgt, sondern alles nur »aus Versehen« geschieht.

Wenn das, was Karasek dafür hält, Witz sein soll, möchte ich mit Komik lieber nichts mehr zu tun haben. Dennoch mußte ich bei der Lektüre immer wieder lachen – eines ist dieses Buch nämlich ganz bestimmt: ein ziemlich langer und ziemlich schlechter Witz.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Grüß Gott, Markus Söder!

Weil der bayerische AfD-Chef Sie wiederholt »Södolf« genannt hat und Sie ihn daraufhin anzeigten, muss dieser Ihnen nun 12 000 Euro wegen Beleidigung zahlen. Genau genommen muss er den Betrag an den Freistaat Bayern überweisen, was aber wiederum Ihnen zugutekommt. Ebenjener zahlt Ihnen ja die Honorare für freie Fotograf/innen, von denen Sie sich bei öffentlichen Anlässen gern begleiten und ablichten lassen. Im Jahr 2022 sollen sich die Kosten auf stolze 180 000 Euro belaufen haben.

Vorschlag: Wenn es Ihnen gelingt, die Prasserei für Ihr Image komplett durch Klagen gegen AfD-Mitglieder querzufinanzieren, stoßen wir uns weniger an Ihrem lockeren Umgang mit öffentlichen Geldern.

Drückt vorauseilend schon mal beide Augen zu: Titanic

 Also echt, Hollywood-Schauspieler Kevin Bacon!

»Wie wäre es eigentlich, wenn mich niemand kennen würde?« Unter diesem Motto verbrachten Sie mit falschen Zähnen, künstlicher Nase und fingerdicken Brillengläsern einen Tag in einem Einkaufszentrum nahe Los Angeles, um Ihre Erfahrungen als Nobody anschließend in der Vanity Fair breitzutreten.

Die Leute hätten sich einfach an Ihnen vorbeigedrängelt, und niemand habe »Ich liebe Dich!« zu Ihnen gesagt. Als Sie dann auch noch in der Schlange stehen mussten, um »einen verdammten Kaffee zu kaufen«, sei Ihnen schlagartig bewusst geworden: »Das ist scheiße. Ich will wieder berühmt sein.«

Das ist doch mal eine Erkenntnis, Bacon! Aber war der Grund für Ihre Aktion am Ende nicht doch ein anderer? Hatten Sie vielleicht einfach nur Angst, in die Mall zu gehen und als vermeintlicher Superstar von völlig gleichgültigen Kalifornier/innen nicht erkannt zu werden?

Fand Sie nicht umsonst in »Unsichtbare Gefahr« am besten: Titanic

 Kleiner Tipp, liebe Eltern!

Wenn Eure Kinder mal wieder nicht draußen spielen wollen, zeigt ihnen doch einfach diese Schlagzeile von Spektrum der Wissenschaft: »Immer mehr Lachgas in der Atmosphäre«. Die wird sie sicher aus dem Haus locken.

Gern geschehen!

Eure Titanic

 Deine Fans, Taylor Swift,

Deine Fans, Taylor Swift,

sind bekannt dafür, Dir restlos ergeben zu sein. Sie machen alle, die auch nur die leiseste Kritik an Dir äußern, erbarmungslos nieder und nennen sich bedingt originell »Swifties«. So weit ist das alles gelernt und bekannt. Was uns aber besorgt, ist, dass sie nun auch noch geschafft haben, dass eine der deutschen Stationen Deiner Eras-Tour (Gelsenkirchen) ähnlich einfallslos in »Swiftkirchen« umbenannt wird. Mit Unterstützung der dortigen Bürgermeisterin und allem Drum und Dran. Da fragen wir uns schon: Wie soll das weitergehen? Wird bald alles, was Du berührst, nach Dir benannt? Heißen nach Deiner Abreise die Swiffer-Staubtücher »Swiffties«, 50-Euro-Scheine »Sfifties«, Fische »Sfischties«, Schwimmhallen »Swimmties«, Restaurants »Swubway« bzw. »SwiftDonald’s«, die Wildecker Herzbuben »Swildecker Herzbuben«, Albärt »Swiftbärt« und die Modekette Tom Tailor »Swift Tailor«?

Wenn das so ist, dann traut sich auf keinen Fall, etwas dagegen zu sagen:

Deine swanatische Tayltanic

 Gesundheit, Thomas Gottschalk!

In Ihrem Podcast »Die Supernasen« echauffierten Sie sich mit einem fast schon dialektischen Satz zu Ihrer eigenen Arbeitsmoral über die vermeintlich arbeitsscheuen jungen Leute: »Es gab für mich nie eine Frage – ich war nie in meinem Leben krank, wenn ich im Radio oder im Fernsehen aufgetreten bin. Ich habe oft mit Schniefnase irgendwas erzählt.«

Das hat bei uns zu einigen Anschlussfragen geführt: Wenn Sie »nicht krank«, aber mit Schniefnase und im Wick-Medinait-Delirium vor einem Millionenpublikum zusammenhanglose Wortfetzen aneinandergereiht haben – war das nicht eine viel dreistere, weil höher bezahlte Form der Arbeitsverweigerung als eine Krankmeldung?

Wünscht Ihnen nachträglich gute Besserung: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Unübliche Gentrifizierung

Zu Beginn war ich sehr irritiert, als mich der Vermieter kurz vor meinem Auszug aufforderte, die Bohr- und Dübellöcher in den Wänden auf keinen Fall zu füllen bzw. zu schließen. Erst recht, als er mich zusätzlich darum bat, weitere Löcher zu bohren. Spätestens, als ein paar Tage darauf Handwerkerinnen begannen, kiloweise Holzschnitzel und Tannenzapfen auf meinen Böden zu verteilen, wurde mir jedoch klar: Aus meiner Wohnung wird ein Insektenhotel!

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster