Humorkritik | Dezember 2012
Dezember 2012
Das Arschloch Rushdie
Ist Salman Rushdie eigentlich ein komischer Autor? Diesen Eindruck konnte zumindest gewinnen, wer den Rezensionstsunami rund um seine nach einem Tarnnamen benannte Autobiographie »Joseph Anton« (C. Bertelsmann) mitverfolgte; und die gerade noch rechtzeitig zur jüngsten Debatte über das Verhältnis von Islam zu Satire, Komik usf. erschien. Meine Lektüre ergab: Nicht der Mann selbst ist komisch, viel eher bietet sein Leben in der Rückschau eine beträchtliche Fallhöhe. Als Rushdie etwa davon erfuhr, für »Die satanischen Verse« von Khomeini »zum Tode verurteilt« worden zu sein, zog er erst einmal sämtliche Gardinen im Haus zu.
Daß ein megalomanischer Mullah einen Autor für eine ihm unangenehme Anordnung von Worten zum Abschuß freigibt (viel mehr als die vermeintliche Blasphemie dürfte Khomeini nämlich Rushdies Khomeini-Karikatur gestört haben), ist auch Jahrzehnte später noch erschreckend. Aber eben auch in jedem Wortsinn komisch. Rushdie weiß hie und da die Absurdität seines zu einem Agententhriller gewordenen Lebens humorvoll zu schildern – als etwa seine Personenschützer einen Stadtspaziergang mit Perücke und falschem Bart vorschlagen. Der Versuch scheitert jedoch, weil ein Passant ruft: »Ist das nicht das Arschloch Rushdie mit Perücke und falschem Bart?«
Doch muß sich Rushdie mit Sätzen wie »Aber humorvoll zu sein, wäre unangebracht gewesen in dieser neuen Welt« immer wieder der Ernsthaftigkeit einer Geschichte versichern, deren Ernst ohnehin augenscheinlich ist. Auch fühlt der Mann sich offensichtlich so ungerecht behandelt, daß er eine möglichst detaillierte Sicht des Geschehens zu geben versucht, inklusive zahlreicher Rezensionszitate und Verlagsinterna. Das liest sich über weite Strecken wie ein sehr gut recherchierter Wikipedia-Artikel.
Die Entscheidung, von sich selbst in der dritten Person zu erzählen (die angesichts des radikalen Bruchs in Rushdies Leben verständlich ist), sorgt zusätzlich für eine befremdliche Sachlichkeit. Diese wird dann über Platitüden notdürftig literarisiert: »Freundschaft war stets von großer Bedeutung für ihn gewesen«, »Die Seele hat viele dunkle Ecken, und Bücher können sie manchmal erhellen«. Obendrein gelingt Rushdie etwas angesichts der Bedeutung seines Falls Erstaunliches: Er wirkt eitel, ja wichtigtuerisch. Keine Bekanntschaft mit auch nur halbwegs Prominenten bleibt unerwähnt, die eigene Bedeutung wird wie selbstverständlich literaturhistorisch in höchste Sphären eingeordnet: »Er sah, wie sein Buch brannte und dachte natürlich an Heine. Aber den selbstgefälligen und verärgerten Männer und Jungen in Bradford bedeutete Heinrich Heine nichts.« An Heine (und nicht etwa an Mann, Kästner oder Freud) denkt Rushdie »natürlich« vor allem deswegen, weil er dessen schulwissenskompatibles Zitat zum Thema nicht auslassen kann und alle Protestler als ungebildete Naivlinge sieht.
Nun muß man von Rushdie nicht gerade verlangen, ein soziologisch differenziertes Bild seiner Feinde zu liefern. Mit solchen Mitteln konstruiert er jedoch eine Schicksalshaftigkeit, in der auch sein bißchen Humor nur der Selbstheroisierung dient. So erscheint es Rushdie im Rückblick geradezu als Vorhersehung, daß sein Vater bei einem Familiennamenswechsel den eines liberalen historischen Imams wählte, und so zwingt er der Erzählung auch eine Analogie zu Hitchcocks »Die Vögel« auf: Die Fatwa gegen ihn war der erste, noch scheinbar harmlose Vogel, der die Anschläge vom 11. September bereits ankündigte.
Daß Rushdie mit einer literarischen Satire Menschen bis zur mörderischen Weißglut zu reizen vermochte, erstaunt nach der Lektüre von »Joseph Anton«. Ein Todesurteil rechtfertigt dieses Buch keineswegs.