Humorkritik | Dezember 2012

Dezember 2012

Bitte mit Schinken

Allerlei Kurioses entsteht derzeit im Umfeld der Musikzeitschrift Intro. Weil man sich dort zwischen all den immergleichen Popkritiken scheint’s gelegentlich doch langweilt, produziert eine Gruppe von Redakteuren rund um Linus Volkmann und Felix Scharlau in der Freizeit erstaunlich Komisches. So erschien eben die dritte Ausgabe ihres Magazins Schinken-Omi, ein in billigem Klebelayout zusammenkopiertes Heftchen, das wie ein aus den Frühneunzigern herübergerettetes Zine anmutet. Da gibt’s ein heiteres Lexikon der Seniorensprache (»Flickschusterei, die: Projektmanagement«, »mit seinen Pfunden wuchern: Tumore im Fettgewebe«) oder Hinweise zur Züchtigung der Enkel (Backpfeife, beidseitige Backpfeife, Scheinhinrichtung). Im Gegensatz zu früheren Ausgaben bleibt das dritte Heft dem Seniorenthema sehr stark verhaftet und nervt darin gelegentlich; auch hat man Alexander-Kluge-Parodien schon anderswo gelesen. Der Gastbeitrag von Jens Friebe und das schmucke »kleine Riesenposter« versöhnen jedoch noch den grämlichsten Rezensenten.

Aber auch ohne seine Intro-Kollegen schreibt und albert Linus Volkmann munter vor sich hin. Eben erschienen ist sein vierter Roman »Kein Schlaf bis Langenselbold« (Ventil-Verlag), eine charmante kleine, ebenfalls in den Neunzigern angesiedelte Pubertätsgroteske um zwei 16jährige Zwillingsbrüder, deren Nöten zwischen Geschwisterzoff und erstem Sex man sehr gerne folgt. Nicht so sehr der Handlung wegen – die bietet nichts, was dem Genre nicht schon bekannt wäre. Sondern wegen der vielen hübschen Spracheinfälle Volkmanns, die noch dem alten Thema Bruderzwist (»hätte er seinen blöden Zwilling doch bloß im Mutterleib absorbiert, statt der Zellteilung neben sich tatenlos zuzusehen«), wie auch der Zwangsintimität, die sechzehn Jahre gemeinsamer Stockbettknast bedeuten, etwas Frisches abgewinnen: »Ein zusammengeknülltes Taschentuch flog runter. … Satt schlug es auf dem verwelkten Teppich auf. ›Ja! Da staunst du zu Recht, Malte. Ich bin randvoll mit Sperma. Und ich bin dein Bruder!‹« Wie es mit den Plänen der beiden ausgeht, den Talentscout eines Frankfurter Feldhockeyvereins erpressungshalber zu verführen und die väterliche Tankstelle in eine Diskothek mit Virtual-Reality-Sexstationen zu verwandeln – das möge jeder, den solche Frivolitäten nicht schrecken, selber nachlesen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg