Humorkritik | Dezember 2011

Dezember 2011

Comedy-Preis

Kurz nach dem Deutschen Buchpreis, bei dessen Vergabe komisch gemeinte Werke traditionell ignoriert werden, wurde wieder der Deutsche Comedy-Preis verteilt. Neu war in diesem Jahr der Trend, daß außer altgedienten Frontleuten auch weitere an einer TV-Produktion Beteiligte – Redakteure, Regisseure, Autoren usw. – häufchenweise auf der Bühne erschienen und zum Teil sogar namentlich genannt wurden. Gewiß eine nett gemeinte Geste, die jedoch zur Folge hatte, daß die Zeremonie sich noch zäher hinzog als in den vergangenen Jahren. Zur Attraktivität der Übertragung trug der Auf- und Abtrieb der zumeist unpassend gekleideten Figuren jedenfalls wenig bei. Ansonsten war alles wie gehabt, sogar die Dekoration ist inzwischen drei Jahre alt.

Da seit zwölf Jahren zuverlässig die üblichen Verdächtigen in verschiedenen Kategorien nominiert und prämiert werden, müssen uns die Preisträger nicht weiter interessieren – mit einer Ausnahme: Denn der Hauptpreis für das »Lebenswerk« ging erstmals an eine Frau.

Auffällig ist in diesem Zusammenhang, daß unter den männlichen Aspiranten auch in diesem Jahr nur sehr wenige neue Gesichter auftauchten, bei den weiblichen dagegen gar keines. Und je häufiger ich die bekannten Komödiantinnen und das, was sie in Fernsehen machen, wiedersehe, desto nagender werden meine Zweifel, ob überhaupt ein nennenswertes Talent darunter ist.

Natürlich gab es qualitative Abstufungen oberhalb der talentfreien Zone, artistische Weiterentwicklungen erkenne ich aktuell jedoch nicht. Wenn sich einige Kandidatinnen den ganzen Abend auf eine Art gebärden, für die im vorletzten Jahrhundert der Begriff »hysterisch« erfunden wurde, und andere immer penetranter auf ihre körperlichen Deformierungen und ihre privaten Probleme anspielen, wenn insgesamt der Ton rauher oder meinetwegen männlicher wird und selbst beachtliche schauspielerische Leistungen hinter den gutgemeinten Übertreibungen von Masken- und Kostümbildnern verschwinden, wird man darin wohl kaum Verbesserungen sehen mögen.

Wenn dann auf dem Höhepunkt des Galaabends ausgerechnet eine notorische Betriebsnudel wie H. v. Sinnen für ein Lebenswerk ausgezeichnet wird, das besser in eine kleine Krawallschachtel passen würde, wäre das zwar im höheren Sinne der Gleichberechtigung durchaus zu begrüßen, müßte nicht gerade diese Vergabe die angedeuteten Zweifel an der geschlechtsunabhängigen Gleichbegabung auf komischem Gebiet noch verstärken.

Andererseits hätte ich, ehrlich gesagt, auch keine bessere und würdigere Preisträgerin gewußt. Und bei dieser Erkenntnis ist mir ganz und gar nicht wohl.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
08.05.2024 Wiesbaden, Schlachthof Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella
09.05.2024 München, Volkstheater Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
10.05.2024 Weil am Rhein, Kulturzentrum Kesselhaus Thomas Gsella