Humorkritik | Februar 2010

Februar 2010

Können Tiere lustig sein?

Clipshows genießen zu Recht den schlechten Ruf billig produzierter Fernseh-Dutzendware: Es gibt sie schon, seit Videokameras so günstig wurden, daß der Durchschnittsverdiener sich eine leisten konnte – also etwa seit Martin Luther, der nur zufällig nicht dabei gefilmt worden ist, wie er sich ordentlich auf den Daumen gehämmert hat, als er seine Thesen an die Kirchentür nageln wollte. Alle anderen Mißgeschicke von kleinen Kindern, Sportlern, Tieren und Autofahrern aber sind auf VHS bzw. seit dem Ersten Weltkrieg zusätzlich digital dokumentiert worden und werden seitdem auf diversen Fernsehkanälen regelmäßig verklappt.

 

Damit auch der dümmste Zuschauer merkt, daß da ohne jeden finanziellen Aufwand Sendezeit gefüllt werden soll, bemühen sich die meisten Shows dieser Art, auch für Moderatoren, Off-Sprecher, Kulissen und Autoren möglichst kein Geld auszugeben.

 

Dabei ließe sich selbst aus einem ermüdenden Format wie diesem noch etwas machen. Man müßte lediglich die von Zuschauern hausgemachten Wackelfilmchen durch sagenwirmal hübsch gefilmte BBC-Wildlife-Aufnahmen mit Gorillas, Haien, Pandas und Pinguinen ersetzen und ein paar talentierte Comedians damit beauftragen, sich komische Synchronisationen für die Viecher auszudenken. Wie komisch könnte diese Show sein!

 

Ohne weiteres ließe sich ein Running Gag denken, bei dem ein Murmeltier immer und immer wieder seinen Kumpel Alan ruft, einige Dachse, die sich geschäftig am Bauch kratzen, was mit entsprechenden Soundeffekten sehr nach dem Scratchen von Hip-Hop-Platten aussähe, oder eine Gruppe von Haien, die ihre Mäuler zu »Bohemian Rhapsody« auf- und zuklappen. Pupsende Gorillas, Frösche, die ein Unterwasserorchester dirigieren, Talentshows mit Pinguinen – alles wäre möglich! Habe ich schon das Murmeltier erwähnt, das »Alan« rufen könnte, »Alan! Alan! Alan! Alan! Alan«?

 

Natürlich würde diese Show auch davon profitieren, daß verblüffendes Filmmaterial zum Einsatz käme, wie man es auch in aufwendigen Dokumentationen findet: von seltenen Echsen, ungewöhnlichen Raupenprozessionen durch die Wüste oder miteinander rangelnden Giraffen. Wenn man dann noch ein paar prominente Gastsprecher auftriebe, vielleicht Tom Jones, Stephen Fry und Ozzy und Sharon Osbourne – fertig wäre eine familienkompatible BBC1-Samstagnachmittagsshow namens »Walk On The Wild Side«, die man ab Februar auf DVD per Import ordern könnte. Ein Traum!

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg