Humorkritik | Februar 2010
Februar 2010

Gewonnene Illusionen
Es hat mich doch gefreut, mal wieder etwas von Joachim Lottmann zu lesen. »Der Geldkomplex« (KiWi) bietet nichts grundsätzlich Neues, denn Lottmann stilisiert auch weiterhin sein vergleichsweise ereignisarmes Leben in Berlin Mitte zur Passionsgeschichte. Die schräge Untersicht, aus der Lottmann seine kleine Welt anschaut, taucht seine fragwürdige Randexistenz in ein wohltuendes Zwielicht, das durch dauernde Widersprüche, im Groben wie im Detail, nicht erhellender wird. Die Überinstrumentalisierung der Banalität wirkt unter diesen mildernden Umständen umso komischer und die gutgespielte Naivität des verarmten Ritters macht mir seine traurige Gestalt sympathisch.
Gewisse literarische Vorbilder nennt der Verfasser selbst, doch neben Hamsun und Dostojewskij, an deren Figuren und Stil man den Ich-Erzähler lieber nicht messen sollte, mußte ich an Balzac denken, was wohl mit Lottmanns vorgeblichem Thema, der Weltwirtschaftskrise, zusammenhängt und mit dem märchenhaften Reichtum, den er sich im letzten Teil des Romans spendiert, ohne Rücksicht auf Psychologie und Wahrscheinlichkeit und auf Kosten jeder Glaubwürdigkeit. Dafür beschert es dem Roman ein Happy-End, das einen schöneren Titel verdient hätte: Gewonnene Illusionen.