Humorkritik | Februar 2010

Februar 2010

Komischer Stieg Larsson

Genaugenommen bin ich als Humorkritiker nicht zuständig für die Beurteilung der todernsten Werke des schwedischen, 2004 verstorbenen Schriftstellers Stieg Larsson. Seine nach Millionen zählenden Leser schätzen ihn als Autor spannender Kriminalromane, ohne sich daran zu stören, daß er sie mit vollkommen nutzlosen Zutaten angedickt und garniert hat. Über das abendliche Treiben des Helden Mikael Blomkvist ist in dem Roman »Verblendung« folgendes zu erfahren: »Gegen sechs Uhr hatte er geduscht. Anschließend kochte er Kartoffeln und aß dazu Senfhering mit Schnittlauch auf einem wackeligen Tisch vor dem Gartenhäuschen. Er goß sich einen Schnaps ein und prostete sich selbst zu.« Nichts davon tut irgendwas zur Sache, weder der Termin des Duschens noch das Duschen, weder der Senfhering noch der Schnittlauch; ganz zu schweigen von dem wackeligen Tisch, dem Gartenhäuschen und dem Schnaps: Larsson hat hier einfach nur gelabert, und das finde ich nun wieder ausgesprochen komisch.

 

In seinem Weltbestseller, der in Deutschland unter dem Titel »Vergebung« erschienen ist, wimmelt es abermals von langweiligen und zwecklosen Mitteilungen über das Verhalten der Romanfiguren: »Annika blinzelte ein paarmal, bevor sie aufstand, die Kaffeemaschine einschaltete und sich unter die Dusche stellte. Sie ließ sich Zeit im Badezimmer und zog dann eine schwarze Hose, einen schwarzen Rollkragenpullover und eine rote Jacke an. Anschließend toastete sie sich zwei Scheiben Brot, belegte sie mit Käse, Avocadoscheiben und Orangenmarmelade und frühstückte im Wohnzimmer …« Das ist ungefähr ebenso fesselnd wie die Berichterstattung über die Morgentoilette des Geheimagenten Evert Gullberg im gleichen Roman: »Er ging ins Badezimmer, wusch sich und putzte sich die Zähne. Eine ganze Weile betrachtete er sein Gesicht im Spiegel, dann schaltete er das Licht aus und zog sich an. Er nahm das letzte saubere Hemd aus der Aktentasche und band sich dazu einen braun gemusterten Schlips um.«

 

Wer möchte das wissen? Die gute Annika hätte ihr Brot auch mit Honig oder Leberwurst bestreichen können, und wenn Evert Gullbergs Schlips gelb oder grün gemustert gewesen wäre, hätte die Romanhandlung keinen anderen Verlauf genommen. Und trotzdem gilt Stieg Larsson weit über die schwedischen Landesgrenzen hinaus als hochbegabter Erzähler. Ich kann daraus nur den Schluß ziehen, daß es Leser gibt, die sich beim Lesen kurzweiliger Unterhaltungsromane langweilen wollen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg