Humorkritik | Dezember 2010

Dezember 2010

Zweidrittelkomödie

Wer ist wohl die tragischste Figur der Bibel? Vermutlich der Heilige Geist: Immerhin ein Drittel der Dreifaltigkeit – aber ohne eine einzige gute Geschichte im Ärmel, ohne jedes Profil, neben Gottvater und Sohn eine blasse Erscheinung. Niemand würde ihn erkennen in der Schlange an der Supermarktkasse, und es wäre wahrlich kein Wunder, wenn der Hl. Geist irgendwann eine ausgewachsene Identitätskrise durchmachte.

 

Tatsächlich hat »Hage«, so heißt der von Christian Tramitz verkörperte Heilige Geist in der deutsch-österreichischen Produktion »3faltig«, die Schnauze schon ziemlich voll: Es hat ihn in eine kleine österreichische Alpengemeinde verschlagen, wo er religiösen Schnickschnack an Touristen und allerlei Kirchenzubehör an den korrupten Pfarrer Erdinger (Alfred Dorfer) verkauft. In seiner Freizeit schreibt er an seinem ersten Musical, »Holy Spirit Megastar«, und ärgert sich über die Haushälterin Frau Holacek, die ominösem Brauchtum aus ihrer böhmischen Heimat nachhängt: »Ja, Frau Holacek, hängen Sie da Meisenknödel an den Christbaum hin?« – »Ja, die sind für den 25. Dezember, wenn der Knedelmann kommt!« – »Wer kommt?!« – »Der Knedelmann! Der bringt Gulasch und Knedel fir die gute Kinder, und die bese Kinder, die werden in eine Sack gesteckt und…« – »In die Donau geschmissen, wie ich Sie kenn’!« – »Nein! In die Moldau!« Hage könnte in aller Ruhe sein Griesgramleben weiterführen, stünde da nicht plötzlich Christl (Matthias Schweighöfer) vor der Tür. Der eröffnet ihm, daß »der Papa« für den 31. Dezember die Apokalypse vorgesehen hat – ausgerechnet am Premierentag von Hages Musical! Und nicht nur das: Gemeinsam überfahren sie auch noch versehentlich die Mona, Hages Hauptdarstellerin. Nun haben sie zwei Probleme: Eine tote Mona, die wieder zum Leben erweckt werden muß, und einen Weltuntergang am Premierentag…

 

»3faltig« (Regie: Harald Sicheritz, Drehbuch: Murmel Clausen und Hermann Bräuer mit Ch. Tramitz und H. Sicheritz) entwickelt sich zu einer flotten Krimi-Farce vor weihnachtlichem Hintergrund, und alleine der Umstand, daß die beiden Hauptfiguren zwei Drittel der göttlichen Dreifaltigkeit sind, sorgt für schöne Späße.

 

Daß er sich in provinziellen Milieus auskennt, hat Regisseur Sicheritz bereits mit »Hinterholz 8« bewiesen, und die heimatfilmhafte Winterkulisse gibt dem Werk eine solide Bodenhaftung. Tramitz’ lakonische Darstellung sorgt für Lacher, sei es, wenn er in puncto Weltuntergang überstimmt wird (»Wos, ihr macht’s a Apokalypse auf Basis einer Zweidrittelmehrheit?«) oder wenn der Christl die Mona überfährt: »Da liegt a Radl, also scheiden Has und Reh als Unfallgegner aus.« So läßt sich die Vorweihnachtszeit ganz passabel überstehen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg