Humorkritik | November 2009

November 2009

Krisensitcom

Die Finanzkrise wirkt sich mittlerweile auch auf die seit über einem Jahrzehnt so üppig wuchernde und florierende Serienlandschaft des amerikanischen Fernsehens aus: Budgets werden gekürzt und immer mehr Sendeplätze an billigere Talk- und Realityshows vergeben. Obendrein gibt es eine bereits länger anhaltende kreative Krise im Bereich der Sitcom. Außer »The Office« (ohnehin eine Adaption der britischen Vorlage) und »30 Rock«, das keine echte Weiterentwicklung zeigt, findet sich auf den großen Sendern wenig Erwähnenswertes. Selbst die so einflußreichen Pay-TV-Shows »Entourage« und »Curb Your Enthusiasm« gehen bereits in die sechste bzw. siebte Staffel.

 

Eine neue HBO-Sitcom verbindet beide Krisen: die eine thematisch, die andere im Ergebnis. »Hung« erzählt die Geschichte eines einst idealtypischen amerikanischen Jungens (Star des Basketballteams, liiert mit dem schönsten Mädchen der Schule usw.), der als nicht recht Erwachsener aber nie über diese Zeit und die Heimat hinauskam und nach einer Ereigniskette, in der er u.a. die Frau an einen Hautarzt, das elterliche Haus in einem Feuer, sein bißchen Vermögen und die Zwillinge an die Ex-Frau verlor, mit nichts dasteht als einem miserabel bezahlten Job als Geschichtslehrer und Basketballtrainer an seiner alten Schule sowie seinem außerordentlich großen Gemächt. Um wieder Kontrolle über sein Leben zu erlangen, ist er gezwungen, sich zu prostituieren. Ein Szenario, das durchaus als Metapher für den Zustand der USA zu verstehen ist.

 

Dementsprechend spielt »Hung« mit allen Elementen der Erzählung des »American Dream« und selbstverständlich in Detroit, der am offensichtlichsten von der kapitalistischen Krise betroffenen Autostadt. Leider bleibt das kritische Moment der Serie jedoch ziemlich diffus, weil man sich in Nebenplots verliert und nicht viel mehr zu formulieren weiß als die Sehnsucht nach dem guten alten Amerika. Trotzdem gelingt vor allem durch die Verkehrung von Geschlechterklischees (sein »Zuhälter« ist eine neurotische gescheiterte Poetin) manch witziger Moment, wenn auch insgesamt das Potential der durchaus komikträchtigen Grundidee verschenkt wird. Immerhin darf man der Hoffnung sein, daß eine zweite Staffel mehr daraus macht als die ersten zehn Folgen.

 

Vielleicht macht es aber auch »Frasier« Kelsey Grammer besser, der in seiner neuen Sitcom »Hank« eine gefallene Wall Street-Größe spielt, die aus Geldnot mit der Familie zurück in die heimatliche Provinz ziehen muß. Falls ja, sage ich Bescheid.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg