Humorkritik | März 2009

März 2009

Screwball aus Deutschland

Erklärte Absicht von Produzent Christian Becker und Autor & Regisseur Sebastian Niemann war es, eine Screwball-Komödie zu machen, die so lässig daherkommen sollte »wie ein Song von Dean Martin«. Klingt eigentlich gut. Woran aber liegt es, daß es nicht gelungen ist, mich häufig genug zum Lachen oder Lächeln zu bringen?

Wieder ist es ein gewisser Übereifer, der mir den Spaß verdorben hat. Schon der  Titel »Mord ist mein Geschäft, Liebling« wirkt mit dem Versuch, gleich zwei Chandler-Zitate unterzubringen, überfrachtet. Auch im Anspielungsreichtum, der per Zitat auf Klassiker der Gattung verweist, sehe ich kein großes Verdienst: Daß ein Regisseur seine Vorbilder kennt, setze ich voraus. Schwerer im Magen liegt mir allerdings die Unverträglichkeit der Genre-Mixtur, denn Niemann möchte zugleich eine Art Mafia-Parodie erzählen, die (und ab hier müssen nur Spezialisten weiterlesen), die also durch sprechblasenlaute Soundeffekte und mickymausenden Score ins kidaffine Comicfach fällt. Mit dem Grundton der »Erwachsenen«-Screwball kann das naturgemäß nicht harmonieren.

So macht man nicht zwei Zielgruppen glücklich, sondern irritiert beide; nicht bedenkend, daß Screwball-Charaktere in einem halbwegs realistischen Milieu weit witziger auftreten könnten. Beste Beispiele gibt es von »Bringing Up Baby« (»Leoparden küßt man nicht«) bis »Is was, Doc?« genügend: Erst eine gewisse Seriosität der Umgebung bringt die Brillanz der Dialoge zum Leuchten. Leider fördert die Hypermotivation der Regie ein andauerndes Overacting, das nicht nur die Hauptfiguren, sondern auch die meisten Nebendarsteller uninteressant macht, was bei Profis wie Rick Kavanian, Christian Tramitz oder Nora Tschirner recht ärgerlich ist. Ob Auftritte mehr oder minder abgehalfterter Gaststars wie Bud Spencer, Franco Nero und Günther Kaufmann sehr hilfreich sind, bleibt zweifelhaft.

Irgendwann erweckt ein solcher Overkill von Prominenz bei mir stets den leisen Verdacht, ich sei in einer Art Senioren-Dschungelcamp gelandet – Til Schweigers »1 1/2 Ritter«-Film war dafür ein noch abschreckenderes Beispiel. Ermüdend wirkt in »Mord ist mein Geschäft, Liebling« auch das durchgehend überdrehte Tempo, da es von Anfang an kaum Steigerungsmöglichkeiten zuläßt. Niemanns Überangebot vor allem optischer Gags und Gimmicks ist inflationär und führt letztlich dazu, daß mir der Film mangels Verschnaufpausen am Ende elend lang wurde.

Die Verschwendung von soviel rechtschaffener Arbeit und falschverstandener Ambition fand ich bedauerlich. Und, um auf Dean Martin zurückzukommen: Sein Markenzeichen war eine beinah nachlässige Unangestrengtheit – Niemann strengt sich so an, daß selbst ein Spitzensong wie »That’s Amore« seinem Film keinen Moment von Eleganz mehr bescheren kann.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg