Humorkritik | Juli 2009
Juli 2009
Fades Wurstbonbon
Helge Schneider hat ein neues Buch geschrieben; schon wieder, möchte man sagen angesichts der imposanten Backlist allein bei KiWi, die elf lieferbare Titel ausweist. Nun ist der zwölfte erschienen, diesmal wieder als Autobiographie verkleidet: »Bonbon aus Wurst. Mein Leben«, ebenfalls bei KiWi.
Mit einer Autobiographie im eigentlichen Sinne hat freilich auch diese weitere Variation des bekannten Schneider-Prinzips nichts gemein, lediglich die literarische Form wird adaptiert, so wie zuvor auch die des Krimis, des Groschenromans, des Reiseberichts etc. Hier geht es im wilden Galopp vom Landgut des Erzählers nach Paris, auf den Mount Everest und in die Saarlandhalle, es wird viel mit den verschiedensten Autos herumgefahren, deren Marken und Typen ebenso halb zufällig referiert werden wie die Namen von Prominenten, mit denen Schneider bzw. »Schneider« schon gespielt, geboxt oder gefilmt haben will: »Zufällig treffe ich Robert De Niro, wir sind gute Freunde. Ich frage ihn nach Al, wie es ihm so geht, ich hatte gehört, daß er auf einem Ohr fast taub ist … Nach einer Weile sind wir vom guten französischen Bier betrunken. Da Robbie dann immer ein bißchen schwierig wird, verabschiede ich mich, sage, daß ich dringend nach Deutschland fahren müsse. Er ist sauer, weil wir uns so wenig sehen. Dann kommt er auf die Idee mitzufahren. Aber zum Glück taucht plötzlich seine Schauspielkollegin Nastassja Kinski auf, ich lade sie zu einem Getränk ein, aber sie lehnt ab.«
So plätschert und pladdert es dahin wie drei Tage Regenwetter in Mecklenburg-Vorpommern: monoton, ohne Höhepunkte, auf die Dauer leise deprimierend; irgendwann ist es aber doch vorbei und prompt vergessen. Improvisationen der hier vorliegenden Art (und es spielt dabei kaum eine Rolle, ob Schneiders Romane tatsächlich ebenso extemporiert sind wie seine Bühnenvorträge) verlieren im Druck schnell ihren Charme. Aber warum? Vielleicht, weil – wie im Jazz, der Vergleich liegt bei Schneider ja nahe – der Vortrag ebenso wichtig ist wie das Material selbst, wenn nicht sogar wichtiger.
Schneiders virtuose Improvisationen, die auf der Bühne leicht und spontan wirken, lassen, vom Blatt gelesen, auf die gleiche Weise ihren Witz vermissen wie Charlie-Parker-Stücke, die man sich im Klavierunterricht draufschafft. Was nicht bedeutet, daß sie keinen Witz hätten: Schneiders Interpretationstalent wird – eine Hörbuchversion ist jedenfalls schon erschienen – vermutlich auch »Bonbon aus Wurst« zum Leben erweckt haben. Das will ich jedenfalls hoffen – und mich weiterhin über Filme, Tonaufnahmen und Liveauftritte von Helge Schneider freuen, die Bücher indes künftig links liegenlassen.