Humorkritik | September 2008

September 2008

Comedians unterwegs

Von einem Stand-up-Comedian erwarte ich nicht, daß er mir die Wahrheit erzählt, schon gar nicht, wenn’s anekdotisch wird. Man hat daher allen Grund, den Anekdoten aus der Welt der Stand-up-Comedians zu mißtrauen, die Ritch Shydner und Mark Schiff für ihren Sammelband »I Killed. True Stories of the Road from America’s Top Comics« (Crown Publishers, per Import erhältlich) zusammengetragen haben. Dennoch wird jeder Spaß an der Lektüre haben, der sich für ­Comedy, Drogen und bizarre Zwischenfälle in den Südstaaten interessiert, wo sich ­Red­necks und Lynchmobs vom Ku-Klux-Klan Gute Nacht sagen.

 

Letztere können schon mal leicht ungehalten reagieren, wenn sie auf den Auftritt des für seine rassistischen Witze bekannten Komikers Antler warten, dann aber der fälschlich gebuchte und offen schwule Witze­macher Ant auf die Bühne steigt und auch gleich frohgemut beginnt, seine eigene Homo­sexualität zum Thema zu machen: »In der vordersten Reihe saß ein Riese namens Bubba, was ich nur wußte, weil er Bubba auf seinen Unterarm tätowiert hatte. Er sah mich an, und ich wußte nicht, ob er lächelte oder wütend war, denn er hatte keine Zähne mehr – vermutlich vom jahrelangen Crystal-Mißbrauch. Er erklomm die Bühne und trug mich buchstäblich von der Rampe, und ich schrie: ›Er entführt mich, er entführt mich! It’s a hate crime!‹, während er mich aus dem Saal trug.

 

Dann warf Bubba mich in den Fond seines schwarzen, kaputten Toyota-Pickups und sagte: ›Wir müssen hier weg, mein kleiner Freund, oder sie bringen dich um!‹«

 

Die meisten geschilderten Zwischenfälle sind nicht ganz so lebensbedrohlich (obwohl erstaunlich viele Auseinandersetzungen mit dem Publikum in Handgreiflichkeiten zu ­enden drohen), aber ebenso komisch: Etwa wenn die eigenen Eltern (oder, schlimmer, Schwiegereltern) im Publikum sind und z.B. die Mutter ihrer Tochter auf der Bühne offen widerspricht (»Das ist ja gar nicht wahr! Sie hatte nie etwas mit einem verheirateten ­Professor!«), Veranstalter gar nicht oder mit Drogen oder Sex bezahlen wollen und das Publikum nicht wegen subtiler humoristischer Unterhaltung gekommen ist, sondern wegen der im Anschluß auftretenden Ramones (die glauben, die Nummer des Auftretenden hieße »der lebende Bierschwamm«).

 

Viele Geschichten stammen aus den ­frühen Tagen der mittlerweile zu Ruhm ­Gekommenen, als sie noch für wenig Geld weite Reisen unter­nahmen, um dann auf der Bühne gnadenlos zu versagen: So etwa Don Adams, der spätere »Get Smart«-Haupt­darsteller, der in den Fünfzigern auf jeden Dollar angewiesen war und deshalb auch für eine Handvoll Dollar weit fuhr, nur um Mae West anzusagen.

 

Die wiederum bat Adams vor dem Gig zu sich und ließ ihn sein Material vortragen. Anschließend erklärte Wests Agent, Mae West liebe seine Gags, er sei phantastisch, der beste Comedian, den sie je gesehen habe. Aber sie habe einen kleinen Wunsch: Er möge doch bei seinen Witzen stets auf die letzten Zeilen verzichten. Adams, leicht geschockt, erklärte, das seien ja die Punchlines, auf die könne er nicht verzichten, sonst wären seine Witze keine Witze. Nein, beharrte der Agent, West meine, er müsse lernen, daß weniger mehr sei und seine Geschichten so lustig, daß er gut auf ihr Ende verzichten könne.

 

Adams hatte keine Wahl, trug Witze ohne Pointen vor und erntete tödliche Stille – nicht einmal Zwischen- oder Buhrufe, einfach nur absolutes Schweigen. Als er von der Bühne kam, teilte ihm Mae Wests Agent mit, West denke immer noch, er sei brillant und höchst komisch, aber bei ihr in der Umkleide sei er besser gewesen.

 

So zivilisiert und historisch geht es aber nur selten zu in »I Killed«. Die meisten Geschichten belegen eher, daß Komiker Psychopathen sind, die für ein paar billige Lacher alles tun. Und daß ihre Erzählungen vom ­eigenen Scheitern mindestens genauso ­komisch sein können wie ihr Auftritt. Ach ja, und die Geschichte, wie Larry David, der nie so recht mit seinem Publikum konnte und deshalb seine Auftritte immer mehr ­abkürzte, eines Abends auf die Bühne ging, das Mikro nahm, seine Zuhörerschaft kurz abschätzte, dann sagte: »Forget it« und wortlos ging – die ist natürlich auch drin.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner