Humorkritik | Dezember 2008
Dezember 2008

Witzelmord
»Wird Mord-Aufruf Kunst, wenn er gesungen wird?« fragte kürzlich Springers Paradedumpfblatt B.Z., nachdem es einen vier Jahre alten Song des Berliner Kabarettisten und Liedermachers Marc-Uwe Kling aufgetan hatte. »Wird ein Lied ein Mordaufruf, wenn die B.Z. darüber schreibt?« müßte man korrekt fragen, denn Kling singt zwar mit zuckersüß-brüchiger Stimme von Mordgelüsten gegenüber Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann (»Hörst du mich, Josef, Josef Ackermann? / Ich schwöre dir, Baby, wir kriegen dich noch ran. [...] Hörst du mich, Josef, Josef Ackermann / Einer muß als erstes sterben, du bietest dich da an«), zieht eine mögliche Parallele zu Martin Schleyer, nimmt das alles jedoch zwei Strophen später zurück: »In diesem nachdenklichen Part geb ich zu verstehn / Moralisch ist das ganze eher kritisch zu sehn / Ich würds auch nicht machen, ist mir zu kraß, ist nicht mein Stil / Schließlich muß man anmerken: Bringt ja auch nicht viel / Wir sollten mal lieber, anstatt uns zu echauffieren / Ein paar Banken zerschlagen und Konten einfrieren.«
Um fachlichen Rat frug die B.Z. leider keinen Fachmann, sondern den Fachanwalt für Urheber- und Persönlichkeitsrecht Peter Raue, der erst grübelte, ob man Klings »Hetzlied« überhaupt Kunst nennen dürfe, denn »diese Form des Gedichts beherrscht jeder Depp«. Folgerichtig bezeichnet Raue den Liedermacher als »Idioten«, womit Raue sich zumal als Fachmann für Persönlichkeitsrecht auf juristisch dünnem Eis bewegt.
So sehr ich Kling und seinem klanglichen Werk die Aufmerksamkeit gönne – den Ackermannschen hielt ich darin immer für einen der schwächeren Titel, zu nah war er mir an der kalkulierten Provokation getextet. Sanfte Schelte verdient zudem das windelweiche Ende: »Hörst du mich Josef, da machen jetzt alle mit / Wir kündigen dir nämlich deinen Dispokredit / Dann stehst du auf der Straße, im Portemonnaie nur noch’n Knopf / Dann kapierst du’s vielleicht endlich: Der Markt, der hat doch nur Scheiße im Kopf.« Als würde sich einer wie Ackermann auch nur einen Deut für seinen Dispo interessieren. Sei’s drum, auch schwache Songs sind Satire. Kling jedenfalls warb schon vor einiger Zeit damit, daß sein Ackermann-Song »mehrfach im WDR nicht gespielt« wurde; nun kann er sich auch noch rühmen, von der Springerpresse sowohl zum »Shootingstar der Kleinkunstbranche« hochgejubelt (Berliner Morgenpost) als auch zum »Terroristen« gestempelt worden zu sein (B.Z.). Der Markt wird es ihm danken, es trifft nicht den schlechtesten.