Inhalt der Printausgabe

Mai 2001


Humorkritik
(Seite 2 von 7)

Numminen singt u. a. Wittgenstein

Schon vor einigen Monaten (TITANIC 11/2000) belobte ich hier den finnischen Komponisten, Kolumnisten, Buchautor, Sänger, Schauspieler und Filmemacher M. A. Numminen, insonderheit dessen Musik-Roman "Tango ist meine Leidenschaft". Bisher gab es von dem moppartig frisierten Mann, der in Finnland "etwa 46" (Numminen) Platten gemacht hat, in Deutschland lediglich dessen Parlamentspark-Tango auf einem Sampler mit finnischen Tangos zu hören - viel zu wenig.
Einen kleinen Überblick über Numminens hochoriginelles musikalisches Lebenswerk verschafft die gerade bei - wo sonst - Trikont erschienene Platte "Dägä Dägä". Von einer "Gebärde für drei Rülpser" aus dem Jahr 1961 über diverse Tangos, Opernarien, Schlager ("Yes Sir, ich kann Boogie") bis hin zur philosophischen Techno-Interpretation ("Tech - no, Tech - yes, Tech - perhaps") ist da vieles und viel Unglaubliches zu entdecken. Vor allem freute mich, daß auch Ausschnitte aus Numminens sensationeller "Tractatus Suite" zu hören sind; gesungen wird sie auf deutsch, weil der Interpret während seines Philosophiestudiums in den sechziger Jahren diese Sprache lernte, um Marx und Marcuse im Original lesen zu können. Diese Vertonung von Ludwig Wittgensteins "Tractatus logico-philosophicus" war als Kurzfilm von Claes Olsson schon auf diversen Festivals zu sehen. Numminen singt mit seiner berühmten Falsett-Krächzstimme "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen" und läßt sich von rücksichtslos rumpelnder Blasmusik begleiten - das ist einfach zu entzückend. Er kräht und kiekst bisweilen aber auch schwedisch, englisch oder lateinisch. Und präsentiert auch sonstwie überraschend Abwegiges: etwa "Rakkautemme Laulu", einen wahnwitzigen Verschnitt des Abba-Titels "I do I do I do I do" mit dem Sirtaki-Thema aus "Alexis Sorbas"; oder den NDW-Hit "Pogo ja Togo": "Das ist ursprünglich ein deutscher Punksong von der deutschen Gruppe United Balls. Es war eine Notwendigkeit eine Erlaubnis zu ersuchen, um dieses Lied auf Finnisch zu übersetzen und aufzunehmen", heißt es im ausführlichen Booklet, "geschrieben von Numminen selbst als er jemand anders wäre".
Von niemand anderem als Mauri Antero Numminen, der wohl nicht ganz zufällig schon äußerlich eine gewisse Ähnlichkeit mit dem (deutlich jüngeren) Helge Schneider aufweist, wird man hoffentlich noch vieles hören und lesen können. Sein "Nordisches Tango-Oratorium" (Pohjoinen tango-oratorio) - wann wird es hier aufgeführt? Sein "Neorustikales Orchester" - wann geht es hier auf Tournee? Seinen Dünnbierkneipenroman "Baarien mies" - wann werden wir ihn zu lesen bekommen?
Behelfen wir uns so lange mit Numminens eigenhändig ins Deutsche verbrachtem Booklet-Text: "›Hästarna och jag‹ (Die Pferde und ich) ist ein finnischer Humortango hier auf Schwedisch gesungen. Der Inhalt in aller Kürze: Zwei Brüder gehen in den Konfirmandenunterricht, und da bekommen sie eine Aufgabe, um ihren Frauenideale zu schreiben. Das Resultat gefällt dem Pastor nicht. Die Brüder entziehen sich dem Verhör."
Wir meinen: Dägä dägä!




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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
23.05.2024 Bielefeld, Theaterlabor Max Goldt
24.05.2024 Dresden, Buchladen Tante Leuk Thomas Gsella
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst »POLO«
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Hans Traxler: »Die Dünen der Dänen«