Inhalt der Printausgabe

Mai 2001


Humorkritik
(Seite 4 von 7)

Ahne & Co.

Es bleibt uns nichts erspart, nun wird auch noch die Ostberliner Nachwuchsfaxenmacherkleinkunst verschriftet. Es mag durchaus angebracht sein, einen "Anti-Wortspiel-Geheimbund" zu gründen und die Gruppe PUR als "Ostrock aus Schwaben" kaltzustellen. Auch andere Beobachtungen Ahnes stimmen: "Wenn man so drei Stunden in der prallen Sonne sitzt und vier bis fünf Bier trinkt, kriegt man plötzlich das Gefühl, als würde gleich was passieren." Doch ist die Vorlesbarkeit als "einzigstes" (Ahne) Textkriterium für ein Buch zu wenig, da nämlich treten die Schwächen des Autors schnell zutage, die live gerne überlacht oder überbrüllt werden. Schlecht "gespielte Naivität", Regression ins Ätschbätsch-Kindliche, kurz das von FAZ bis Spiegel gefeierte offensive Dilettantentum, das kann einem bei "Wie ich einmal die Welt rettete" (Kiepenheuer & Witsch) schon schwer auf den Zeiger gehen. Vor allem, wenn der Autor nur einen Ton drauf hat, die Sätze mit "und dann" oder "und da" verketten muß, eine stark verunsicherte Lexik (scheinbar statt anscheinend) vor sich her trägt, exhumierte Badesalz-Witze und matt aufblitzende Paradoxa ("Ich stürze den seit Stunden vor mir stehenden kochend heißen Kamillentee in einem Zug herunter" - nicht hinunter!) einstreut, stümperhaft verschenkte Pointen (Geburtstagsgedicht für Oma, S. 89f.) anhäuft und beharrlich mit der eigenen Tolpatschigkeit hausieren geht - "is ja auch ganz lustig irgendwie".
So schreibt es Ahne hin, und sein Live-Publikum mag es ihm glauben. So entsteht ein schon einfältiges Crossover aus Washabenwirgesternwiedergesoffen- und Vatersohnidyllen, das im selbstgefälligen "Höhöhö" zugereister männlicher Szenetouristen und quiekender Frontstadtweiber bestens aufgehoben ist.
Außerdem plädiere ich ab sofort für ein umgehendes Verbot des Gebrauchs der Wörter "lecker" und "nett", vor allem in den peinigenden Kombinationen "total lecker" und "voll nett". Noch peinigender: "total nett" und "voll lecker". Und dann: ist die permanente Romantisierung des "Echten" am Prenzlauer Berg alles andere als unterhaltsam, sondern peinliche, spießige Volkstümelei.
Als ich auf Seite 46 Ahnes Wunsch las, in die "Muschi" seiner Mama zurückzukehren, und Ozzy Osbourne im Video "Live & Loud", welches ich in solch düsteren Lektüre-Stunden gerne korrespondierend anhöre und sehe, gerade "Mama, I'm coming home" sang, machte mir das eines klar: wenn schon infantile Regression - dann lieber Ozzy. Ahne sollte es beim Biertrinken in der Sonne belassen. Vier bis fünf, vielleicht passiert ja wirklich mal was.




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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg