Zugegebenermaßen spät bin ich auf die DVD-Box mit dem kompletten »Monaco Franze« gestoßen (EuroVideo), die schon etwas länger auf dem Markt ist. Aber die späten Lieben sind ja manchmal die schönsten, und auch wenn ich dem Regisseur und Erfinder H. Dietl nicht unbedingt in Zuneigung zugetan bin – da müßte mir schon wer ein halbes Königreich versprechen, daß ich noch einmal »Rossini« gucken tät’ –, so muß ich doch vor ihm und seinem Co-Autor Patrick Süskind, vor allem aber vor dem sagenhaften Helmut Fischer noch einmal tief den Humorkritikerhut ziehen: Denn »Monaco Franze« war und ist eine fabelhafte Serie.
Die Geschichte vom Kleine-Leute-Kind und »ewigen Stenz« Franz Münchinger, der in die höhere Gesellschaft eingeheiratet hat und sich deren Gespreiztheiten gerne in Richtung Kiez und Frauenallotria entzieht, ist so reizend beiläufig und stilsicher erzählt, daß einem die Satire der späteren Dietl-Produktion »Kir Royal« schon fast grob vorkommt. »Monaco Franze« nämlich ist vor allem eine Liebesgeschichte: Der Münchinger Franz liebt sein »Spatzl« (R. M. Kubitschek), er liebt aber auch die Frauen insgesamt, und er liebt sein München; und der Film erzählt, wie immer schwerer es ihm, dem alternden Herzensbrecher und Flaneur, fällt, das alles beieinander zu halten; und wie es ihm langsam entgleitet als einem, dem die Zeit davonläuft.
Und das ist nicht nur seine persönliche Zeit. So schön wie im München der frühen Achtziger war das Jahrzehnt nie wieder. Das Wort »Yuppie« führt noch niemand im Mund, und der Franze, der liebt und lebt und leben läßt, der das Gerede der anderen mehr erträgt als mitmacht und im Zweifelsfall den Mund hält, ist in seiner melancholischen Eleganz wie ein Restposten der sozialliberalen Ära, als das Sinnbild Deutschlands nicht mehr (und noch nicht wieder) das Brandenburger Tor, sondern das Münchner Olympiastadion war. Was man damals noch ohne gehässigen Nebenton »soziale Symmetrie« nennen konnte, verkörpert dieser Gentleman aus kleinsten Verhältnissen, der mit denen da oben lebt und die da unten liebt und nicht eine Halbsekunde lang das Parvenu- und Angeberhafte der Zeit haben wird, die auf ihn folgt, und sich wie selbstverständlich zwischen Edelitaliener und Frühlokal bewegt, weil alles seins ist. Und am Ende der zehn Folgen verliert er dann wie bestellt seine komfortable Beamtenfrühpension durch ein Termingeschäft an der Börse und landet in der Gosse, und von beiden wird im folgenden ja noch mehr zu hören sein, als einem lieb sein kann.
Altertümlich ist, von heute aus betrachtet, natürlich auch das Format: Erzählt wird nicht in heutigem Comedy-Duktus, sondern geruhsam filmisch, mit derselben Engelsgeduld, die dem Helmut Fischer stets im Dackelblick hängt und der die schnelle Pointe viel weniger wichtig ist als das komischtragikomische Tableau insgesamt.
Natürlich kann ich die Zeit genausowenig anhalten wie der Münchinger Franz, aber: Wo ist sie hin, die Zeit, als in Deutschland noch Formate solchen Zuschnitts entwickelt wurden bzw. sich entwickeln durften, von den auch schon Dietlschen »Münchner Geschichten« über den »Ganz normalen Wahnsinn« bis eben zum »Monaco Franze«? Als lustiges Fernsehen, jedenfalls manchmal, noch mehr war als schick tapezierte Entspannungshilfe für gestreßte Dauertwens (s.o.) und obendrein, igitt, noch Realität und Leben abbildete?
Was für eine Ausnahme »Monaco Franze« aber schon damals war, zeigt die weitere Karriere des 1997 gestorbenen Helmut Fischer, die nach Kinopeinlichkeiten wie den »Zärtlichen Chaoten« im »Schloß am Wörthersee« endete. Was, nebenbei, eine der irrsten und traurigsten Talentvergeudungen ist, die ich kenne.
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