Inhalt der Printausgabe

März 2004


Schwanz und Schrecken in Las Vegas
(Seite 3 von 3)

Ein Pappenstiel, dachte ich, denn ich hatte zuvor im Spielcasino 40 Dollar gewonnen, und zwar in weniger als sechzig Sekunden! Gut, dafür hatte ich zunächst mal zwanzig Dollar in das Gerät eingeben müssen, um das Spielsystem zu begreifen, das darin bestand, ununterbrochen Geld einzuwerfen und dann am Hebel zu ziehen. Aber dann hatte ich das Spiel verstanden, und es flutschte! Es machte vierzig mal hintereinander Klack!Klack!Klack!Klack!, und jedesmal fiel ein großer schwerer Dollartaler in die Auffangschale. Hochgerechnet wären das 2400 Dollar pro Stunde, verstehst du, Schwanz, da hätte ich die Bude in zehn Stunden und zehn Minuten abbezahlt, rief ich, und für dich, Schwanz, ist noch ein schönes Trinkgeld mit drin!
Richard rieb sich die Lachtränen aus den Schlitzen unterhalb seiner Frisur, dann schob er mir einen Vertrag hin. Hier müsse ich unterschreiben, 1200 Dollar Anzahlung würden schon ausreichen. Überlegen dürfe ich mir die Sache leider nicht, meinte Richard bitter, denn sonst könne ich mir ja zu Hause ganz leicht ausrechnen, daß die Hilton-Hotelgruppe auf diese Weise für eine popelige Zweizimmerwohnung mit 40 Quadratmetern rund 1,25 Millionen Dollar einnehmen würde plus 50000 Dollar Nebenkosten pro Jahr, also ungefähr zehnmal so viel, wie hier in Las Vegas eine vergleichbare Immobilie beim Makler kosten würde. Daher müsse ich jetzt sofort unterschreiben, das sei ja hier ein "first day signing", es gebe nur die Möglichkeit, sofort zu unterschreiben, andernfalls mache er, Richard, sich strafbar, und als er "strafbar" sagte, schaute er mich mit einer Mischung aus blankem Entsetzen und Abscheu an.
Wie ich mich fühlte, fragte Richard.
Gut, Schwanz, sagte ich.
Ob ich nun noch irgendwelche Fragen hätte.
Nein, Schwanz, sagte ich, mir ist alles restlos klar. Mir ist klar, sagte ich, daß wir beide, du und ich, Schwanz und Ollie, daß wir zusammengehören, daß wir ein Team sind.
›What happens in Vegas, stays in Vegas‹, heißt es doch, rief ich. Wir würden uns einfach mit Gewalt Zutritt zum Palast von Siegfried und Roy verschaffen, da würden die beiden Ausnahmemagier bestimmt nicht schlecht staunen, wir würden mit einer magischen Handbewegung die Herz-Hirn-Lungenmaschine, die Roys Hülle noch am Leben hielt, zum Verstummen bringen, dann kämen auch schon Siegfried und Heino angewanzt, aber wir würden sie einfach packen und caramba, karacho den weißen Tigern zum Fraß vorwerfen, wir würden den Laden einfach übernehmen, die neuen Magier des Jahrtausends und in Las Vegas gefeierte Milliardäre werden! So in etwa sei mein Plan.
Aber würde Richard auch mitmachen? Und wo war Richard überhaupt? Ich saß mittlerweile alleine am Verhandlungstisch und sah genau, wie draußen der Schnee von den Palmwedeln tropfte. Die Sonne waltete wacker wüstenmäßig.
 
Kopfschüttelnd betrat Richard nun wieder die Verhandlungskabine. Vor sich trug er, mit weit ausgestrecktem Arm, eine gelbe Haftnotiz her, auf die er fassungslos starrte und dabei den Schlagersängerkopf überzeugend schüttelte.
Nein, also so etwas habe er noch nicht gesehen, noch nie, gerade habe er das durchs Telefon erfahren, es gebe noch nicht mal ein Fax davon, so brandaktuell sei das hier, und eine derart kleine Zahl sei ihm in seiner zehnjährigen Salesmankarriere noch nie untergekommen, er habe noch nie, und das wollte er auf der Stelle beschwören, noch nie irgend etwas unter einem Preis von 10000 Dollar verkauft, aber heute könne er mir und der Welt zum ersten Mal dieses völlig neue Angebot unterbreiten: 8700 Dollar, und dafür dürfe ich alle zwei Jahre in einem etwas schlechteren Hotel außerhalb von Las Vegas eine Woche wohnen - umsonst natürlich.
Umsonst. Ja, es war alles umsonst.
Ich stand auf, lächelte gequält, drückte Richards immer noch zu weiche und zu seifige Hand und sagte: Danke, Schwanz, es war mir ein Vergnügen, aber unsere Auffassungen sind zu verschieden.
Als er zu weinen anfing, verließ ich Las Vegas.


Oliver Maria Schmitt



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg