Inhalt der Printausgabe
März 2004
Schwanz und Schrecken in Las Vegas
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Als er hörte, daß ich Deutscher bin, war er begeistert: "Ihr Deutsche gebt ein Drittel eures Einkommens für Urlaub aus, das ist phantastisch!" Deutschland kannte er gut, vor allem Homburg an der Saar, denn von dort stammte seine Frau. Sie hieß Karin, aber er nannte sie Linda. Linda sei einfach "phantastisch", heulte in neuerlich begeisterter Aufwallung Richard und schwärmte von ihren Fähigkeiten als gefragte Friseuse. Sie habe früher, so teilte er ohne Umschweife mit, in einem Friseursalon auf der Düsseldorfer Königsallee gearbeitet, sei dort zufällig an Shirley MacLaine geraten, und die habe sie sofort nach Amerika verfrachtet, wo sie schließlich von Engelbert Humperdinck in Las Vegas übernommen worden sei. Er zeigte mir Fotos vom gemeinsamen Urlaub in Mexiko, und sie sah tatsächlich aus wie eine Friseuse. Nun aber sollte ich, das war Richards Plan, erst mal Eigentümer des Hilton Hotels werden. Ich sagte, das klinge sehr gut, und ob er Siegfried und Roy kenne. Klar kenne er die, sie seien "absolut phantasisch", kein Wunder, sie seien ja Deutsche wie ich, "absolut sympathisch", und er würde nur sympathischen Menschen etwas verkaufen. Zum Beweis nannte er mich ab sofort nur noch "Ollie", und ich überlegte, ob ich ihn dafür spontan "Dick" nennen solle, denn das war die gängige Abkürzung für Richard; aber ebenso war es, das wußte ich, die gängige Abkürzung für Schwanz: "dick" - so wie "prick" oder "cock" oder "bone". Aber zu Richard einfach zu sagen: Klar, Schwanz, dein Angebot klingt gut - das brachte ich so ohne weiteres nicht fertig. Dachte ich zunächst. Als ich noch einmal sehr genau seinen Strähnchenzupfmuff betrachtet hatte, ging es aber doch. | |
Ich sagte: "Schwanz, dein Angebot klingt wirklich gut", und er lächelte kraß und kukidental.
Wenn ich bei und mit ihm und heute kein Hoteleigentümer werden würde, dann nie und nirgends mehr, denn es gebe auf dem gesamten Eigentumsmarkt kein besseres Angebot, sagte Richard und zeigte mir unterschriebene Verträge von anderen Kunden, seltsamerweise alle mit Fotos. Woher er die wohl hatte? Und was wollte er mir überhaupt verkaufen? Er deutete auf ein Foto: Dieses Kundenpaar habe schon zugesagt, wolle aber mit der Zusage noch warten, denn die Dame hier auf dem Bild, die habe momentan Brustkrebs und wolle erst das Ergebnis ihrer Brustamputation abwarten. Ich sagte nicht, daß ich mir das Ergebnis dieser Brustamputation leider recht gut vorstellen könne, nein, ich sagte gar nichts, denn Richard hatte sich nun deutlich warmgeredet. Im Leben steige man auf, nicht ab. Früher machte man Camping mit Isomatte und Esbitkocher, dann kam das Billighotel mit verwanzter Dusche, heute sei es das Hilton mit Minibar und Roomservice. Das sei wie beim Buffet - man greife eben zuerst zu den Leckereien, zu den Krabben, zum Lachs und zum Hüftsteak, das sei, und dabei warf er mir seinen gesamten Kopf mitten ins Gesicht, das sei "die menschliche Natur". Schwanz, sagte ich, weißt du wo Siegfried und Roy wohnen? Klar wisse er das, und dann erzählte Richard von Traumurlauben in Traumresorts an Traumstränden, die ausnahmslos mit Traumfrauen bevölkert waren, und ich mußte unwillkürlich an "Zehn nackte Friseusen" denken. Daß ich ab sofort regelmäßig Urlaub hier in Las Vegas mache, sei ja nun klar, schlußfolgerte Richard, Las Vegas sei die Boomtown Amerikas schlechthin, hier müßten in den nächsten Jahren 60000 Hotelbetten entstehen, und ich könne jetzt schon froh sein, eines davon zu bekommen. Aber wieviel Geld ich dafür ausgeben wolle, fragte jetzt maßlos neugierig Richard. Keines, sagte ich, und Richard lachte sehr. Aber nur kurz. Nun, da ich doch selbst gemerkt hätte, wie toll es im Hilton sei, da würde ich doch nie wieder woanders wohnen wollen. | |
Mit einem speziellen Taschenrechner für große Zahlen rechnete er mir blitzschnell aus, wieviel ich seiner Ansicht nach in den nächsten zwanzig Jahren für Urlaubsunterkünfte ausgeben würde, mit Zins und Zinseszins. Er kam auf 179221 Dollar. Ich sagte: Schwanz, das ist eine wirklich große Summe. So viel Geld hätten vielleicht nicht mal Siegfried und Roy. Hysterisch lachend erklärte mir Richard den einzigen Ausweg aus meiner Finanzmisere: Ich solle sofort Teilzeit-Eigentümer einer Hilton-Hotelsuite werden, und zwar für lächerliche 25000 Dollar. Dafür könne ich dann eine Woche pro Jahr im Hilton wohnen, natürlich umsonst. | |
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