Inhalt der Printausgabe

September 2003


AFRIKA
Das schwarze Loch
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Krieg, Korruption, Kaffern - der schwarze Kontinent kommt nicht aus den Schlagzeilen. Das jüngste Massaker in Liberia wirft wieder die alte Frage auf: Wer hat den Käse zum Bahnhof gerollt?

 
Fritzchen Uku'lele freut sich. Der elf-jährige kongolesische Kriegsveteran ist auf dem Weg in die Idi Amin-Grundschule nur viermal vergewaltigt worden, und als er nach vierzig Kilometern Fußweg endlich ankommt, le-gen die Achtkläßler vom Nachbarstamm der Gh'oten gerade alles in Schutt und Asche. Schulfrei! Hurtig humpelt das leichtathletikbegeisterte Minenopfer die zwölf Stunden nach Hause, wo es gerade noch rechtzeitig eintrifft, um bei der Be-schneidung seiner kleinen Schwester zu helfen. Fritzchen ist der Mann in der Familie, seit seine 28 Brüder an Aids gestorben oder von marodierenden Gnus gefressen worden sind. Ehrensache, daß es auch heute wieder ohne Abendbrot ins Bett geht.
Afrika, der dunkle Kontinent. Nur tags-über ist es hell, wenn die Sonne aber untergeht, wird es sofort finster "wie in einem Negerarsch" (Albert Schweitzer). Geschüttelt von Bürgerkriegen, Hungersnöten und einer völlig verfehlten Rentenpolitik, taumeln die Menschen zwischen Atlantischem und Indischem Ozean von einer Kneipe, genauer Ka--ta-strophe in die andere. "Afrika ist wie meine Frau", stöhnt Dirk Schulz vom Afrikanistikinstitut der Uni Bielefeld, "schön und stolz, aber geregelte Arbeit? Fehlanzeige!" Erst von den Kolonialmächten gequält, dann von korrupten Diktatoren ausgebeutet, unterdrückt und ausgelacht ("H'a, h'a, h'a!") - die Geschichte Afrikas ist eine Geschichte voller Mißverständnisse.
So hatte Christian Colombo 1492 gar nicht Afrika entdeckt, sondern ganz im Gegenteil Indien, und es dauerte noch mal fast hundert Jahre, bis der Afrikaforscher Hermann von Humboldt 1584 an der Küste des heutigen Senegal zum ersten Mal auf schwarze Menschen traf: "Ich sah eynen curiosen Mann, der wahr gantz nackicht und hatte eyn Pymmel, der wahr so grosz als wie eyn Baum." Und nicht zuletzt deswegen wurden in den nächsten Jahrhunderten Hunderttausende von Afrikanern vor allem nach Amerika verschleppt, wo sie sich auf Baumwoll-, Zuckerrohr- oder Bluesplantagen zu Tode schufteten. Aber auch nach dem Ende der Sklaverei und mit der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten war der Albtraum noch nicht zu Ende. Die neuen nationalen Regierungen füllten sich vorzugsweise die eigenen Taschen, wegen der willkürlichen Grenzziehungen der Kolonialmächte kam es immer wieder zu Stammesfehden und Bürgerkriegen - die Dummen waren wie stets die kleinen Leute (Pygmäen, IQ: 60).
Aktueller Fall: Liberia. Wer genau angefangen hat, weiß keiner in der Redaktion, z.B. Hintner. Aber trotzdem ist das Morden in vollem Gange, werden Menschen auf offener Straße niedergemetzelt, abgeschlagene Köpfe wie Trophäen ausgestellt und Kinder gezwungen, Hausaufgaben zu machen (Intekralrechnung, Naturrelli, Abrechnen mit drei Unbekannten). Die internationale Staatengemeinschaft schaut bislang hilflos zu, nicht einmal Hilfslieferungen mit den allernotwendigsten Gütern (Baumwolle, Zuckerrohr, Bluesgitarren) kommen bei den regionalen Warlords an.

Das Wort "Elfenbeinküste" - heute längst ein Euphemismus

Wer soll, wer kann helfen? Die Uno plant, mehrere Supertanker randvoll mit Schnaps nach Monrovia zu schicken, um wenigstens Weltekel und Daseinszweifel zu lindern, Jockel Fischer will seinen persönlichen Neger Reinhard Bütikofer als Nahrungsmittelhilfe anbieten, Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sitzt zu Hause herum und heult, während ihre schwarze Haushaltshilfe das Silberbesteck in ihrer Schürze verschwinden läßt.
Denn die hat Aids und ist auf Crack, aber für derlei Folklore haben die Nachbarn natürlich überhaupt kein Verständnis. "Ich fahre schwarz, ich wähle schwarz, und ich arbeite natürlich schwarz", so Nachbar Dieter Nuhr, "aber mal was ganz anderes. Neulich frag ich meine Freundin: Hast du manchmal das Bedürfnis, ein Mann zu sein? Sagt sie: Nee, du vielleicht?" Schwarzer Humor, ja bitte - aber mal eben so 100 000 Euro für Afrikahilfe sind natürlich nicht drin. Dabei leben wir auf Kosten der Dritten Welt: Für jeden verkauften Mohrenkopf gehen höchstens zwei Cent ans Afrikanische Winterhilfswerk, und immer, wenn in Deutschland ein Handy klingelt, geht im Kongo niemand ran, weil alle im Bergwerk schuften, wo das für den Handychip wichtige Erz Coltan abgebaut wird. Nebenher werden noch die letzten Gorillas ausgerottet, bloß damit deutsche Halbaffen in der Straßenbahn "Superstar"-Klingeltöne runterladen können, und Paradeschwarze wie Condoleezza Rice und Ernst Neger ("Humba-Täterä") ruinieren den bereits angeschlagenen Ruf der "Briketts" (O-Ton Volksmund) volle Kanne vollends.
Aber ist Afrika wirklich der verlorene Kontinent? Noch gibt es Signale der Hoffnung: Die Lebenserwartung eines korrupten Spinnerbonzen in der Stadtverwaltung von Kinshasa ist in den letzten Jahren auf 72,4 Jahre gestiegen, der Handel mit Waffen und seltenen Tieren boomt, und wenn Fritzchen Uku'lele die Schule beendet hat, wartet auf ihn schon eine Lehrstelle als Lehmhüttenarbeiter oder Drahtzieher in der Rauschdrogerie seines Onkels. Denn wie sagt das afrikanische Sprichwort: Wie man in die Urwaldreste hineinruft, so ballert es heraus.

Gärtner/Nagel


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hello, Herzogin Kate!

Hello, Herzogin Kate!

Ihr erster öffentlicher Auftritt seit Bekanntmachung Ihrer Krebserkrankung wurde von der Yellow Press mit geistreichen Überschriften wie »It’s just Kate to see you again« oder »Kate to have you back« bedacht.

Und bei solchen Wortspielen darf unsereins natürlich nicht fehlen! Was halten Sie von »Das Kate uns am Arsch vorbei«, »Danach Kate kein Hahn« oder »Das interessiert uns einen feuchten Katericht«?

Wie immer genervt vom royalen Kateöse: Titanic

 Wie kommt’s, »Krautreporter«?

In einem Artikel zum Thema »Konkurrenz im Job« stellst Du die These auf: »Konkurrenz ist nicht so verpönt wie ihr Ruf.« Aber warum? Was hat der Ruf der Konkurrenz denn bitte verbrochen? Womit hat er seinem Renommee so geschadet, dass er jetzt sogar ein schlechteres Image hat als die Konkurrenz selbst? Und weshalb verteidigst Du in Deinem Artikel dann nur die Konkurrenz und nicht ihren Ruf, der es doch viel nötiger hätte?

Ruft Dir fragend zu:

Deine genau im gleichen Ausmaß wie ihr Ruf verpönte Titanic

 Deine Fans, Taylor Swift,

Deine Fans, Taylor Swift,

sind bekannt dafür, Dir restlos ergeben zu sein. Sie machen alle, die auch nur die leiseste Kritik an Dir äußern, erbarmungslos nieder und nennen sich bedingt originell »Swifties«. So weit ist das alles gelernt und bekannt. Was uns aber besorgt, ist, dass sie nun auch noch geschafft haben, dass eine der deutschen Stationen Deiner Eras-Tour (Gelsenkirchen) ähnlich einfallslos in »Swiftkirchen« umbenannt wird. Mit Unterstützung der dortigen Bürgermeisterin und allem Drum und Dran. Da fragen wir uns schon: Wie soll das weitergehen? Wird bald alles, was Du berührst, nach Dir benannt? Heißen nach Deiner Abreise die Swiffer-Staubtücher »Swiffties«, 50-Euro-Scheine »Sfifties«, Fische »Sfischties«, Schwimmhallen »Swimmties«, Restaurants »Swubway« bzw. »SwiftDonald’s«, die Wildecker Herzbuben »Swildecker Herzbuben«, Albärt »Swiftbärt« und die Modekette Tom Tailor »Swift Tailor«?

Wenn das so ist, dann traut sich auf keinen Fall, etwas dagegen zu sagen:

Deine swanatische Tayltanic

 Wenn, Sepp Müller (CDU),

Bundeskanzler Olaf Scholz, wie Sie ihm vorwerfen, in einem »Paralleluniversum« lebt – wer hat dann seinen Platz in den Bundestagsdebatten, den Haushaltsstreitgesprächen der Ampelkoalition, beim ZDF-Sommerinterview usw. eingenommen?

Fragt die Fringe-Division der Titanic

 Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Du warst der jüngste TITANIC-Chefredakteur aller Zeiten. Du warst der Einzige, der jemals eine klare Vorstellung davon hatte, wie das ideale Heft aussehen musste, und hast immer sehr darunter gelitten, dass sich Deine Utopie nur unzureichend umsetzen ließ. Aus Mangel an Zeit und an Mitarbeiter/innen, die bereit waren, sich Nächte um die Ohren zu schlagen, nur um die perfekte Titelunterzeile oder das richtige Satzzeichen am Ende des Beitrags auf Seite 34 zu finden.

Legendär der Beginn Deiner satirischen Tätigkeit, als Du Dich keineswegs über einen Abdruck Deiner Einsendung freutest, sondern Robert Gernhardt und Bernd Eilert dafür beschimpftest, dass sie minimale Änderungen an Deinem Text vorgenommen hatten. Das wurde als Bewerbungsschreiben zur Kenntnis genommen, und Du warst eingestellt. Unter Deiner Regentschaft begann die Blütezeit des Fotoromans, Manfred Deix, Walter Moers und Michael Sowa wurden ins Blatt gehievt, und manch einer erinnert sich noch mit Tränen in den Augen daran, wie er mal mit Dir eine Rudi-Carrell-Puppe vor dem iranischen Konsulat verbrannt hat.

Nach TITANIC hast Du viele, die ihr Glück weder fassen konnten noch verdient hatten, mit Spitzenwitzen versorgt und dem ersten deutschen Late-Night-Gastgeber Thomas Gottschalk humortechnisch auf die Sprünge geholfen. Und dass River Café, eine deutsche Talkshow, die live aus New York kam, nur drei Folgen erlebte, lag bestimmt nicht an Deinen Texten. Auf Spiegel online hieltest Du als ratloser Auslandskorrespondent E. Bewarzer Dein Kinn in die Kamera, und gemeinsam mit Tex Rubinowitz hast Du das Genre des Listenbuches vielleicht sogar erfunden, auf jeden Fall aber end- und mustergültig definiert, und zwar unter dem Titel: »Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen«. Und diese eine Geschichte, wo ein Psychiater in ein Möbelhaus geht, um eine neue Couch zu kaufen, und der Verkäufer probeliegen muss, wo stand die noch mal? Ach, in der TITANIC? Sollte eigentlich in jedem Lesebuch zu finden sein!

Uns ist natürlich bewusst, dass Du auch diesen Brief, wie so viele andere, lieber selber geschrieben und redigiert hättest – aber umständehalber mussten wir das diesmal leider selbst übernehmen.

In Liebe, Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Claims texten, die im Kopf bleiben

Ist »Preissturz bei Treppenliften« wirklich eine gute Catchphrase?

Miriam Wurster

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster