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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Kinderuni

Schön, wenn man nicht allein ist, und schön, wenn man es gleich gewußt hat; wie schön erst, wenn sich beides verschränkt! „Langsam“, warnte jetzt der Vize-Chef der deutschen Hochschulrektorenkonferenz von der europäischen Bologna-Tagung in Eriwan aus, gelange man, was die Freiheit der Lehre betreffe, „an eine Grenze ... Die Hochschule muß sich kritische Distanz zu Begehrlichkeiten der Industrie bewahren. Es geht um akademische Bildung: Wir wollen keine Roboter produzieren.“ Um welche Begehrlichkeiten es da ging, wußte die SZ aus einem „Strategiepapier der Bundesverbände der Arbeitgeber und der Industrie. Die ,Hochschule der Zukunft’ sorgt demnach dafür, ,daß ihr Profil zu den Anforderungen der Stakeholder paßt’. Die Wirtschaft soll auch die Studieninhalte mit entwickeln – Hochschulen und Unternehmen ,verstehen sich als gemeinsame Produzenten wissenschaftlicher Bildung und beruflicher Kompetenzen’.“

In der Frankfurter Allgemeinen klagte dann der Bielefelder Soziologe Stefan Kühl, die Universitäten würden zu „Zertifikatagenturen für Studenten, die wieder zu Schülern werden“, und auch da ändert das Alter des Vorwurfs nichts an dessen Wahrheit. „Die Mittelvergabe [wird] nicht nur an Forschungsindikatoren wie die Einwerbung von Drittmitteln, die Publikation von wissenschaftlichen Fachartikeln oder Forschungspreise gebunden, sondern zunehmend auch an Lehrindikatoren wie die Anzahl der in einem Studiengang prozessierten Studenten und ihrer Abschlußquote. Die Effekte dieser Mittelvergabesysteme sind bereits zu beobachten“, z.B. daß der heilige Leistungsgedanke ausgerechnet da zuschanden wird, wo er nicht von vornherein vulgär ist: Viel Kleinvieh macht viel Mist. „Es entsteht ein Nichtangriffspakt zwischen Dozenten und Studenten. Motto: Belästige du mich nicht bei meiner exzellent geclusterten Forschung, dann bekommst du von mir ohne großen Aufwand exzellente Noten. Angesichts dessen ist es nicht überraschend, daß Hochschullehrer gegenüber ihren Studenten ein hohes Maß an Zynismus entwickeln. Auf der Vorderbühne von Bewerbungsverfahren und Studiengangsevaluationen wird Engagement für die Lehre geheuchelt, auf der Hinterbühne wird über die ,Bachelormonster’ geklagt, denen es ja nur darum gehe, am Ende irgendein Zertifikat zu erhalten. Die Rede ist von ,Duracell-Häschen’, die in Multiple-Choice-Klausuren auf Knopfdruck kurzfristig gespeichertes Wissen ausspucken. Das Studium sei zur ,Schnäppchenjagd’ nach möglichst ,billig’ zu habenden Punkten verkommen.“ Wie auf der Penne mithin, wo in Relli ja auch die wenigsten aus Glaubensgründen saßen. „Insofern ist die Forderung nach einer Verschulung der Studiengänge, wie sie neuerdings ganz offen vom wirtschaftsnahen Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft in die Welt gesetzt wird, nur konsequent.“

„Though this be madness, yet there is method in 't.“ Shakespeare, 1603

Daß wir da ideell längst sind und aus der autonomen Hochschule für (potentiell) autonome Jungerwachsene das geworden ist, was Industrie und Stifterverbände wollen, nämlich das genaue Gegenteil, beweist uns dann die Zeit, die für ihren Studienführer neuerdings folgende Reklame macht: „Gemeinsam das passende Studium finden. Unterstützen Sie Ihr Kind bei der Wahl des richtigen Studiums.“ Und Papa, dessen (und sei’s freundlicher) Fuchtel zu entkommen immer ein schöner Hauptgrund fürs Studium war, sitzt aufmerksam neben seinem 16jährigen, damit der bloß nicht auf die Idee komme, den eigenen Entschluß zu fassen, für den er nach G8 und allem ja auch zu jung ist. Studium als Angelegenheit von (außerakademischen) Autoritäten, als eins, bei dem die, die sich bilden sollen, im Grunde nichts mehr zu melden/zu wollen/zu entscheiden haben: wenn das, bei allem Gegacker vom "freiesten Deutschland aller Zeiten", nicht ganz und gar autoritär ist, dann weiß ich auch nicht.

Heute nennt man's freilich marktkonform.

Veranstaltungshinweis: Der Autor liest am Donnerstag ab 19.30 Uhr in der Hochschul- und Kreisbibliothek Rheinbach aus seinem Bildungsroman "Putins Weiber".




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Briefe an die Leser

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg