Humorkritik | Juli 2019
Juli 2019
Ich lache über Alles.
Gottfried Benn
Gutes aus Nahost
Kann man über palästinensischen Antisemitismus, die Besetzung durch Israel und den Konflikt zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten eine Komödie produzieren, ohne sich über eine der beiden Seiten lustigzumachen oder Partei zu ergreifen? Man kann. Der dieser Tage in den deutschen Kinos startende Film des palästinensischen Regisseurs Sameh Zoabi »Tel Aviv On Fire« interessiert sich nicht für verhärtete Positionen und politische oder religiöse Borniertheiten an sich, sondern für deren komische Seite.
Der junge Palästinenser Salam wohnt in Jerusalem, arbeitet aber als Produktionsassistent und später Autor bei der kitschtriefenden palästinensischen Soap-Opera »Tel Aviv on Fire«. Täglich muss er einen Checkpoint zwischen Israel und dem Westjordanland passieren, und bald zwingt ihn der israelische Militärkommandant Assi, die Drehbücher der kommenden Folgen dahingehend zu ändern, dass der israelische General, der in der Serie eine wichtige Rolle spielt, besser wegkommt und sich die palästinensische Spionin, die auf ihn angesetzt ist, in ihn zu verlieben hat. Salam findet damit beim Produzenten, seinem Onkel, kein Gehör – schließlich sollen derartige Produktionen immer auch der Anti-Israel-Propaganda dienen. Doch Assi will mit dem aufpolierten Seifenoperngeneral die eigene Gattin beeindrucken und lässt nicht locker.
Alle verfolgen persönliche Interessen, alle sind auf ihre Weise verbohrt und getrieben – aber seine komischen Effekte erzielt der Film, weil er seine Figuren nicht nur ernstnimmt, sondern sie zugleich über sich und aus ihren festgelegten Rollen und Funktionen hinauswachsen lässt: Während der virile, offensive Militär Assi seine romantische Soap-Seite entdeckt, emanzipiert sich der fast apathisch entspannt durch die Handlung gondelnde Träumer Salam von den Autoritäten um ihn herum; die Veränderungen in der Realität finden sich immer mehr in der produzierten Soap wieder.
Regisseur Zoabi sagte in einem Interview, er wolle »die derzeitige angespannte Situation nicht ins Lächerliche ziehen, sondern mich mit der inneren Wahrheit befassen, und die kommt manchmal durch komödiantische Übertreibungen besser ans Licht«. Ich würde hinzufügen, sie ist eben auch selbst komisch, und Zoabi weiß, wie man darauf schauen muss, um diese komische Seite zu erkennen.