Humorkritik | Juli 2019
Juli 2019
Ich lache über Alles.
Gottfried Benn
Setz bleibt sitzen
»Selbst in jener finsteren Epoche zwischen meinem zehnten und meinem sechzehnten Lebensjahr, in der ich nicht ein einziges Buch las, las ich Christine Nöstlinger – und zwar in der Erinnerung. Das war mir leicht möglich, denn als Kind hatte ich ihre Bücher gründlich absorbiert.« Dieser Satz, mit dem der Schriftsteller Clemens J. Setz in der SZ seine Rezension nachgelassener Mundartgedichte Christine Nöstlingers begann, klingt genauso wie sein preisgekrönter, als »grotesk und skurril« klassifizierter Erzählband »Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes« (2011), den ich las, um meinen überraschend guten Eindruck der frischen, als »Alltagsgrotesken« (»Die Zeit«) belobigten Erzählungen »Der Trost runder Dinge« (beide Suhrkamp) zu überprüfen: nämlich aufgeblasen und viel eher nach Streber denn nach jener Hochbegabung, die das Feuilleton in Setz sieht; und er, wenn ich das vermuten darf, in sich selbst auch.
Dass die neuen Arbeiten aus dem grotesk Skurrilen die Luft herauslassen, indem sie es weniger aufrufen denn vorfinden, verschafft ihnen einen Humor, der von dem quälend künstlichen Universum des älteren Bandes absticht. Und so las ich gern von dem jungen Mann, der sich in eine Blinde verliebt, deren Wohnung mit Unflätigkeiten vollgekritzelt ist – geradezu ein »Seinfeld«-Plot –, oder von dem anderen jungen Mann, der so lange auf einen Flug wartet, bis er ausfällt: »Als ich in unserer Straße ausstieg, roch es schon nach Abend, nach frisch geläuteten Glocken.« So, wie er hier die Prätention unterspielt, unterspielt Setz in den »Runden Dingen« (fast) alles, und also bleibt der Streber sitzen und meldet sich nicht, weil man die Antwort bitte selbst wissen soll.
Und das ist schön.