Humorkritik | September 2017

September 2017

In meinem ganzen Leben habe ich keinen Befehl erteilen können, ohne dabei lachen zu müssen, ohne daß man darüber gelacht hätte, weil ich eben nicht von der Machtkrätze befallen bin: Man hat mir den Gehorsam nicht beigebracht.
Jean-Paul Sartre

Heilsames

Weswegen Stand-up-Comedy in Deutschland keine größeren Talente hervorbringt, die wenigen herausragenden Bühnenkomiker dieses Landes meist von ihrem Fach emanzipierte Kabarettisten sind, das frage ich mich gelegentlich. Eine mögliche Antwort: Weil es mehr als Witze benötigt, ein Publikum eine Stunde lang nur mit der eigenen Präsenz, ohne Zutaten, zu erreichen; man muß auch etwas mitteilen wollen. An englischsprachigen Vorbildern ist zu erkennen: Nur, wenn sich der Ausdruckswunsch eine dem Naturell des Komikers gemäße Form sucht, bleibt der Witzeerzähler in Erinnerung. Der deutsche Comedian will aber zumeist witzig sein, ohne genau zu wissen, weswegen und wozu. Und manchmal daneben noch politisch, moralisch oder ähnliches, ohne diese Ansprüche in den eigenen Bühnenfiguren transportieren zu können.

Wer diesen Unterschied erfassen will, dem sei empfohlen, auf Netflix zuerst ein deutsches Comedyspecial, irgendeines, zu schauen, und im Anschluß Hasan Minhajs »Homecoming King«. Der Mann ist »Daily Show«-Korrespondent, machte (in Abwesenheit Trumps) beim Pressedinner des Weißen Hauses eine gute Figur und hat, auch für das amerikanische Komikgeschäft, eine unique experience als indisch-muslimischer Einwanderersohn aus Texas. Er hat einiges über die vermeintlich milderen Auswirkungen des herrschenden Rassismus zu erzählen – und tut dies mit so viel Energie, Schnelligkeit und unsentimentaler Rührung, daß kaum auffällt, wie wenige echte Pointen er benötigt, um spürbare Wirkung im nicht-vernagelten Zuschauer auszulösen. Diese Show ist ein herausragendes Beispiel dafür, welch befreiende, verbindende Wirkung der komische, in diesem Fall sogar heitere Blick auf die Wunden haben kann, die gesellschaftliche Verwerfungen denen zufügen, die nicht der Norm entsprechen. Obendrein macht der Mann Hoffnung, daß sich so etwas wie muslimische Comedy mit internationaler Wirkung etablieren könnte. Eine Korrektur des Vorurteils der islamischen Humorfeindlichkeit würde zumindest mir Freude bereiten.

Aber zurück zur Eingangsfrage: So etwas müßte doch auch einmal auf deutsch möglich sein! Ohne Hoffnung bin ich dabei nicht. Seit einer Weile scheint es immerhin mehr Komiker unterschiedlicher Herkunft zu geben. Und daß zumindest das solide Witzehandwerk häufiger erlernt wird, ist der erste Schritt. Ohne dieses Rüstzeug sind schließlich auch die ergreifendsten Erzählungen nur Bekenntnisse, Rührstücke; jedenfalls nicht Komik.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

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