Humorkritik | September 2017

September 2017

In meinem ganzen Leben habe ich keinen Befehl erteilen können, ohne dabei lachen zu müssen, ohne daß man darüber gelacht hätte, weil ich eben nicht von der Machtkrätze befallen bin: Man hat mir den Gehorsam nicht beigebracht.
Jean-Paul Sartre

Spiele, die keine mehr sind

Mitunter werfe ich einen Blick in die Video- und Computerspielszene, und wann immer ich es tue, stelle ich Erfreuliches fest. Gerade unter den sogenannten Indie-Spielen fand ich zuletzt einige Perlen, die den Produkten der großen Entwicklerstudios zwar in Sachen Design und Technik hinterherkullern, diese aber weit hinter sich lassen, wenn es um Dinge wie »Gameplay« und »Storytelling« geht. Vor allem – und hier kommt mein Ressort ins, hihi, Spiel – bedienen sie eine Art von Metahumor, der mich zu überraschen vermag: Das Genre an sich wird dabei zum Objekt der Komik, die Grenzen von Interaktion und Inszenierung verwischen, die vierte Wand wird eingerissen. »The Stanley Parable« etwa, bereits 2013 erschienen, versetzt mich in die Egoperspektive eines langweiligen Schreibtischtäters, dessen Kollegen von einem Tag auf den andern unter ungeklärten Umständen verschwinden. Darum werde ich aufgefordert, das Bürogebäude zu erkunden, und zwar wortwörtlich aufgefordert, denn eine Stimme gibt mir qua »Erzählung« konkrete Handlungsanweisungen: Sie schickt mich beispielsweise nach links, was ich brav befolgen oder rebellisch mißachten kann; letzteres hat, nun: nennen wir es vorsichtig »interessante Konsequenzen«. Mich aus diesem narrativen Spinnennetz zu befreien, ist so spannend wie amüsant und dauert dabei keine drei Stunden.

In eine ähnliche Richtung geht das jüngere, noch einmal kürzere und im übrigen kostenlose Anti-Game mit dem ironisch bombastischen Titel »Dr. Langeskov, The Tiger, and The Terribly Cursed Emerald: A Whirlwind Heist«. Hier werde ich zu Beginn mit der Information abgespeist, daß das Abenteuer immer nur von jeweils einer Person erlebt werden könne, ich solle mich gedulden und den weiteren Anordnungen folgen – darin, diese frech zu ignorieren, liegt abermals der Reiz. Ich bewege mich buchstäblich hinter den Kulissen, bekomme weder einen verfluchten Edelstein noch einen Tiger zu sehen, wohl aber die lakonisch-süffisante (britische) Stimme des Produktionsleiters zu hören. Ein digitaler Sketch, an dessen Ende es sogar brennt. Grandios. Vollends verrückt wird es bei »Pony Island«: Es kommt als altmodisches 2D-Jump-and-Run daher, entpuppt sich aber rasch als hirnzermarternde Rätsel-und-Knobel-Tour-de-Force, bei der ich in den Quellcode dieses vom Teufel besessenen Programms einzudringen gezwungen bin.

Wer diese Spiele auf der Plattform Steam sucht, stößt auf eine Menge weiterer Kuriosa, etwa das First-Person-Adventure »Maize«, in welchem man mit bewußtseinsfähigen Maiskolben kommuniziert, oder das Fantasy-Epos »The Magic Circle«, das sämtliche Konventionen über den Haufen wirft, indem es den Protagonisten in eine unfertige Welt schmeißt, wo er vom Wohl und Wehe der »Spielegötter« abhängig ist. Herrliche Zeiten.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.12.2023 Kassel, Studiobühne im Staatstheater Kassel Ella Carina Werner
05.12.2023 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Stargast Til Mette
06.12.2023 Oldenburg, Wilhelm 13 Bernd Eilert mit Sandra Kegel und Klaus Modick
06.12.2023 Berlin, Das ERNST Hauck & Bauer mit Kristof Magnusson