Humorkritik | November 2016

November 2016

»Ich bin froh, daß ich ein humorvoller Mensch bin, sonst würde ich verrückt.«
Wolfgang Bosbach

Der allerallerallerallergrößte Angeber

Eine Menge Witze kennt der US-Amerikaner Jim Holt schon, wie er in seinem Büchlein »Kennen Sie den schon? Geschichte und Philosophie des Witzes« (Rowohlt) beweist. Auch versteht er es, sein Wissen über die bis in die Antike reichende Vergangenheit dieser lustigen Textsorte und seine Kenntnisse der Theorie unterhaltsam an den Mann und die Frau zu bringen. Daß ihm dabei der Witz öfter mit Schwank, Anekdote und Bonmot durcheinandergerät und er bereits eine geistreiche Äußerung für einen ausgewachsenen Witz hält, ist einerseits schade, weil es der begrifflichen Klarheit und Wahrheit nicht dient, aber andererseits sinnvoll, weil wissenschaftliche Präzision und Trockenheit für ein nichtakademisches Publikum nicht lebensnotwendig sind.

So bedauerlich wie unvermeidlich ist es, daß ein US-Amerikaner seine Beispiele vor allem aus dem angelsächsischen Sprach- und Kulturkreis bezieht. Wenn Holt diesen »Witz« (recte: Anekdote) zum besten gibt: »Als Max Beerbohm im Hafen von New York von Bord ging, wurde er von einem Reporter gefragt, was er über die Freiheitsstatue dachte [recte: denke]. ›Sie ist schlicht vulgär‹, sagte Beerbohm. ›Man sollte sie abreißen.‹« Wo könnte hier die Pointe sein? Findet man sie womöglich, wenn man sich die Freiheit nimmt, statt Freiheitsstatue »Statue der Freiheit« zu lesen, damit »sie« sich auf »Freiheit« bezieht, »abreißen« durch »abschaffen« ersetzt und mit viel gutem Willen »Status« statt »Statue« heraushört? Ob hier die Sprachbarriere unüberwindlich ist oder nur für den Übersetzer Martin Hielscher unüberwindlich war, steht dahin. Die leidige Unsitte, Witze erklärt haben zu wollen, weicht aber hier und in verwandten Fällen dem dringenden Bedürfnis, den Witz erklärt zu bekommen.

Ganz ohne Erklärungen finde ich es aber ziemlich lustig, wenn laut Jim Holt Ludwig Wittgenstein zwar »der größte Philosoph des 20. Jahrhunderts« war, indes »der beste philosophische Witz aller Zeiten«, der auch »die komischste spontane Äußerung in der Geschichte der englischen Sprache« ist, nicht Wittgenstein, sondern »dem berühmten Sidney Morgenbesser« gelang, während ein ebenso berühmter Nat Schmulowitz »der gewaltigste Witzesammler aller Zeiten« war und, auch das muß in einem der wichtigsten Nebensätze aller Zeiten mitgeteilt werden, als Rechtsanwalt den Stummfilmschauspieler Roscoe Arbuckle »in einem der aufsehenerregendsten Gerichtsprozesse des Jahrhunderts verteidigte«. Sind sie nicht lächerlichstmöglich, diese marktschreierischsten Superlative der Welt? Das fragt Sie Ihr größter, bester und schönster Hans Mentz!

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
07.05.2024 Köln, Stadthalle Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
07.05.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Kathrin Hartmann