Humorkritik | Februar 2013

Februar 2013

Hydra revisited

Bei meinem kleinen Rundgang durch die österreichische Satireheftlandschaft vor zwei Jahren habe ich dem »Spaß- und Unsinnsprojekt« Hydra für dessen sympathisch wurschtige Subversivität und Relevanzlosigkeit meine Anerkennung ausgesprochen (s. TITANIC 2/11).

Vergnügt stelle ich fest, daß das Haus Hydra sich nun endgültig vom Konzept eines Periodikums verabschiedet hat und statt dessen in loser Folge und in wechselnden Verlagen Genreparodien herausgibt, die zuvörderst durch ihre liebevolle Gestaltung bestechen. In der Anmutung eines Bastei-Groschenheftes etwa kommt das Bändchen »Sex mit 45« daher, in dem gut zwanzig Autoren eine – bisweilen allzusehr den Vulgärnonsens zelebrierende – Lovestory erzählen. Aufgelockert werden die 23 Kapitel, durch die sich die Protagonistin »Lotte Zusatz-Zahl« mit Piraten und Abiturienten vögelt, von einem Fotoroman und ein paar Quatschanzeigen.

Kurzweiliger, wenn auch ungleich alberner, ist »Dieses Buch macht dich fertig«, eine Persiflage auf den Kreativ-Bestseller »Mach dieses Buch fertig«. Wie beim Original wird der Leser dazu ermutigt, sich auf den halbleeren Seiten mit Stift und Kleber auszutoben. »Mache hier eine Liste von Tieren, deren Aussterben du gerade noch ertragen könntest«, lautet eine der Anweisungen, anderswo heißt es »Sei hier kreativ!«, »Leg hier zwei schnuckelige Linien Koks!« oder »Reibe diese Seite an einem fetten Burschen, bis sie durchsichtig ist«.

Am besten gefallen aber hat mir das Taschenbuch »Kritik des Schimpfens«. In dieser Imitation eines UTB-Bandes befaßt sich das Hydra-Kollektiv u.a. mit »nonverbalem Schimpfen«, »malediktologischen Milieus« und »Irrwegen der Insulttherapie«. Das perfektionistische Anlehnen an das Vorbild – der UTB-Kenner wird mit allerlei Graphiken, Randbemerkungen und Wortfeldwolken beglückt – gerät dabei nie zum Hindernis: Ungemein pointendicht sind die versammelten Texte, und dabei überraschend »echt«. Davon gerne mehr!

Wissenschaftssatire ist freilich a priori auf ein Nischenpublikum beschränkt. Größere Beachtung dürfte das für März angekündigte Werk finden: »Holzfällen und Niederbrennen« (Holzbaum Verlag) ist, in der Tradition der immer beliebter werdenden Horror-Mashup-Romane, die Zombie-Version von Thomas Bernhards »Holzfällen« und verspricht »die Geschichte einer Abschlachtung, die Geschichte eines kannibalischen Abendessens«. Man sieht, an knackigen Ideen scheint es den Wiener Hydralogen momentan nicht zu mangeln.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella