Humorkritik | Februar 2013

Februar 2013

Exit BeVau

Fast vierzig Jahre lang, für eine Zeitschriftenrubrik ein mehr als stolzes Alter, gab und gibt es nun die BeVau, die »Berliner Verallgemeinerte«, ein humoristisches Schrebergärtlein inmitten der als Szenefeier verbrämten Konsumtips des Berliner Veranstaltungsmagazins Zitty.

Diese eine Druckseite der »BeVau«, ehedem als Institution geachtet, wurde zwischenzeitlich von der Redaktion verschämt ans Heftende gestellt; eingerückt zwischen die von workshoppenden Herz-Schmerz-Opfern mit Soz-Päd-Hintergrund nur so wimmelnden Kleinanzeigen.

Ein gedeihliches Wachsen pointierter Weltweisheit auf solchem Acker der beschädigten Egos? Kaum vorstellbar! Und so hat auch die BeVau nach mächtig bejubeltem Beginn früh schon das Schicksal ereilt, den Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit führen zu müssen. »Immer wieder nett, diese BeVau«, ging die Rede – aber an der legendären und in ihren letzten Erscheinungsjahren vielleicht schon leicht verklärten »Welt im Spiegel« der Frankfurter Pardon sollte das Schaffen der, das Wort sei mir erlaubt, Berliner Abendschule um Manfred Hofmann, Freimut Wössner und Erich Rauschenbach denn doch nicht gemessen werden.

Die ersten Jahrgänge der BeVau, 1972 bis 74, wurden, kaum waren sie erschienen, flugs als Buch veröffentlicht, lange bevor das dem großen Vorbild »WimS« beschieden sein sollte. Auch ein zweiter Band, die Jahrgänge 1975/76 versammelnd, findet sich noch heute in den Katalogen der Antiquare. Unernst in Wort und Bild, gern auch gereimt; Scherze, bis über die Schmerzgrenze gequält, nur um der Scherze willen, das war in den siebziger Jahren deutscher Sozialdemokratie zur Mode geworden; Zeugnis der Lust der jungen Sponti-Generation am Nonsens, an undogmatischer Sinnverweigerung. Was gab es da nicht plötzlich alles zu hören, zu sehen und zu kaufen! Im Radio ertönten die Gesänge der abfällig so titulierten Blödelbarden, die vier hemdsärmligen Herren von Insterburg & Co. eroberten die neuen dritten Programme, und Otto Waalkes verkaufte mehr Langspielplatten als Udo Jürgens. Der Kalauer, der Klamauk, das Kabarett ohne jeglichen Bonn- und Bombenbezug war zum massentauglichen Produkt gereift.

Der gemeine Zitty-Leser verehrte die »Drei Tornados« oder »Jango Edwards«. Wie überleben, auf solcher nach oben offener Belustigungsskala? Man wurschtelte sich bei der BeVau, das Andenken der Vorbilder hochhaltend, durch. Bisweilen gelang ein Highlight. Oft blieb nur Brot und Butter.

Nun, so unkt es aus den trüben Teichen der Printproduzenten, haucht auch die ergraute BeVau ihr Leben aus. Sollte dieser Schritt mit einem nicht von der Hand zu weisenden Mangel an Relevanz begründet werden, so sei den Hausherren von Holtzbrinck allerdings geraten, unter selbigem Gesichtspunkt auch den Rest ihres bunten Anzeigenblatts rund um die Comic-Seite von Phil Tägert kritisch zu prüfen. Der Großteil der von Zitty früher so fürsorglich gehegten Cartoonkunst wurde ja auch längst aus dem Heft verbannt.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg