Humorkritik | Dezember 2011

Dezember 2011

Hotel Abgrund

Bislang sah es für mich so aus, als wolle sich Michael »Bully« Herbig eher auf Funktionen hinter der Kamera zurückziehen – jetzt hat er gleich in zwei Filmkomödien die Hauptrolle übernommen. Die erste ist inzwischen gelaufen, und Leander Haußmann hat mit »Hotel Lux« ein weiteres abschreckendes Beispiel für ein Komödiendesaster geliefert.

Haußmann mag ein talentierter Theaterregisseur sein – als Drehbuchautor ist er ein Vollversager. Seine Geschichte hat einen Anfang und einen Schluß – dazwischen herrscht der pure Erklärungsnotstand. Daß er neben allen anderen Krücken auch noch einen denkbar ungeeigneten Off-Sprecher braucht, um die Löcher in seinem wirren Geschichtsteppich zu stopfen, ist nur einer von vielen Fehlern.

Ausgerechnet dem naiven Helden die eigenen Erkenntnisse zur kommunistischen Exilbewegung in den Mund zu legen ist allerdings gleich aus drei Gründen unverzeihlich: Erstens nimmt man seinem Simplizius damit die Unschuld, die charmant zu verkörpern Herbig sich alle Mühe gibt; zweitens verärgert man spätestens damit jeden gutwilligen Zuschauer und macht drittens den eigenen Film vollends überflüssig. Daß ein erfahrener Produzent wie Günter Rohrbach, der immerhin einmal »Das Boot« und »Berlin Alexanderplatz« betreute, solche Stümpereien nicht verhindern konnte, läßt sich auch durch noch so hohes Alter nicht entschuldigen. Von allen kardinalen Untugenden des deutschen Regietheaters ist mir gerade diese Überbetonung der Botschaften die unerquicklichste – neben der Beliebigkeit der Einfälle. Was auf der Bühne offenbar gewohnheitsmäßig als läßlich empfunden wird, ist nämlich auf der Leinwand eine Todsünde. Den Namen Lubitsch in diesem Zusammenhang zu erwähnen, eine weitere.

Michael Herbig kann ich indes nur wünschen, daß er bei seinem nächsten Auftritt als »Zettl« mehr Glück haben wird – denn das Zeug zum Filmstar, das er zweifellos hat, so zu verschleudern, wäre schade. Ob er nun mit Benjamin v. Stuckrad-Barre einen begabteren Autor und mit Helmut Dietl einen stilsicheren Regisseur gefunden hat?

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
08.05.2024 Wiesbaden, Schlachthof Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella
09.05.2024 München, Volkstheater Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
10.05.2024 Weil am Rhein, Kulturzentrum Kesselhaus Thomas Gsella