Humorkritik | Februar 2010

Februar 2010

Unter Dödeln

Ich freu’ mich immer, wenn über den von mir geschätzten Zeichner Ralf König was in der Zeitung steht: »Wie soll sich der Zeichner den Schöpfer der Welt vorstellen? Für Ralf König eine seiner leichteren Übungen: Gott sitzt vor einem weißen Blatt Papier. Mit diesem Blatt beginnt der ›Archetyp‹, der zweite Bibelcomicstrip, den König für die FAZ geschaffen hat … Dieser Gott ist also ein Perfektionist, der erst einmal drauflos gezeichnet hat – und damit tatsächlich ein Selbstporträt jenes Ralf König, den eine Ausstellung seiner Originalzeichnungen in Oberhausen zeigt, die erste Museumsretrospektive seines Werkes. Tipp-Ex und Alleskleber sind die Insignien dieses Genauigkeitsfanatikers, eines Virtuosen der Nachbesserung. Sehr viele Blätter sind Collagen. König verschiebt Sprechblasen, um den Weißraum, das graphische Schweigen, beredt zu machen, und überklebt Figuren, wenn ihn die Nuancen des Ausdrucks und der Pose noch nicht befriedigen … An der Bravour der Schraffur erkennen einander die Meister unter den Comiczeichnern; sie bilden eine Kreuzstrich-Clique. Daher konnte sich Dave Sim, der Schöpfer von ›Cerebus‹, in den ersten Heften seines comichistorischen Magazins ›Glamourpuss‹ ausschließlich mit dem ›cross-hatching‹ in ›Rip Kirby‹, dem Detektivstrip von Alex Raymond, beschäftigen. Der Comicstrip setzt die von Werner Busch erhellte Geschichte jenes ›unklassischen Bildes‹ fort, das durch raffinierte Ausnutzung druckgrafischer Möglichkeiten nach Äquivalenten des Kolorits forscht« – für alle Leser der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vielleicht noch diese Nebeninfo: Der Chronist schwulen Lebens Ralf König ist, Weißraumverschiebung und Schraffurkolorit hin oder her, sehr lustig und ein prima Erzähler; jedenfalls war er’s, bis er für die FAZ unschwule, beflissene und also sterbenslangweilige Strips zu zeichnen begann.

 

Wer sehen will, was König, der seit einem Vierteljahrhundert im Geschäft ist, konnte, bevor er in die bildungsbürgerlich-musealen Höhen von Bravour und Nuance aufstieg, der greife zu den erfreulich expliziten Comicroman-Klassikern »Bullenklöten« und »Super Paradise« (»Dicke Dödel 1&2«, MännerschwarmSkript Verlag). Da sind die Posen denn auch einwandfrei befriedigend.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
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03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg