Humorkritik | Mai 2008

Mai 2008

Strunk im Kino

War es mir bislang fast immer ein großes Vergnügen, über neue Großtaten aus dem Hause Heinz Strunk zu berichten – etwa über ­Telefonscherz-CDs mit Studio Braun oder Liveauftritte mit seinen Kollegen Schamoni und Palminger –, so fällt es mir angesichts der Verfilmung von Strunks semibiogra­phischem Haupt- und Meisterwerk »Fleisch ist mein Gemüse« doch eher schwer, ohne Einschränkungen zu loben und zu preisen.

 

Hoch anzurechnen ist es Regisseur und Drehbuchautor Christian Görlitz, daß er alle Comedy-Klippen weiträumig umschifft hat, die seinen Film sonst frühzeitig versenkt ­hätten: Die eher getragene Stimmung des Films ist die einer Tragikomödie; Slapstick und groteske Charakterzeichnung spielen eine untergeordnete Rolle, obwohl die Buchvorlage beides hergegeben hätte. So jedoch brilliert Maxim Mehmet in der Rolle des ­jugendlichen Strunk als wo nicht ­gebrochener, so doch deutlich angeschla­gener junger Mann, der gleichermaßen ­unter Akne Conglobata wie seiner verrückten Mutter ­(Susanne Lothar) und der suizidalen Nach­barin zu leiden hat. Es ist eine traurige Vorstadtgeschichte aus den (im Film recht authentisch in Szene gesetzten) Achtzigerjahren, in der es viel um ausgesprochene und unausgesprochene Einsamkeit geht, um sexuelle Frustration und Lebensverzweiflung, die nur mit Humor halbwegs erträglich wird.

 

Doch flüchtet der junge Strunk nicht ins komische, sondern ins musikalische Fach, in die höllischen Niederungen des Tanzmusikertums. Mit der Muckertruppe »Tiffanys« und ihrem Bandleader Gurki (Andreas Schmidt), dessen gußeiserne gute Laune die Leiden des jungen Strunk stets noch steigert, absolviert der Nachwuchsmusiker etliche Auftritte bei Schützenfesten, Hochzeiten und Bällen, und diese Szenen nutzt Görlitz weidlich, um das komische Potential der provinziellen Freß- und Saufexzesse aus Strunks Romanvorlage auszuspielen: wahllose Baggerversuche bei derangierten Dorfschönheiten, Ärger mit besoffenen Kassenwarten, die die Gage nicht auszahlen können oder wollen, und die grenzenlose Arroganz eines Publikums, das jederzeit bereit ist, die Band anzupöbeln, wenn nicht sofort »An der Nordseeküste« gespielt wird.

 

Leider fehlte Regisseur Görlitz aber dann doch der Mut, eine traurige Geschichte auch traurig zu beschließen. So behilft er sich mit einem Trick bzw. sogar mit zweien. Er konstruiert ein Happy-End, vertraut diesem Ende jedoch ebenfalls nicht und nimmt es fast schon wieder zurück: Der alte Strunk nämlich (Heinz Strunk selbst), der schon während des Films immer wieder als ­außer­halb der Handlung stehender Kommen­tator eingreifen durfte, kritisiert eben dieses Happy-End, an das er sich gar nicht erinnern könne.

 

Dieses Ende aus der Trickkiste tut nicht nur dem Kenner der Romanvorlage weh, es zieht auch einen zweiten Boden in den Film ein, der bis dahin ein eher ernstes Werk mit komischen Momenten war. Die erratische Schlußwendung aber stellt die Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit des Gezeigten unnötig in Frage – und ließ zumindest mich am Ende nicht richtig happy aus dem Kino gehen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

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Das schreiben die anderen

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04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
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