Humorkritik | Mai 2008

Mai 2008

Humor wie einst im May

Wenn ich mich nicht irre, war es Hegel, der sinngemäß behauptet hat, der Zufall sei ein Vehikel des Notwendigen. Was ich für Unsinn halte. Oder war es wirklich notwendig, daß mir besagter Zufall unlängst das bereits 1994 erschienene Karl-May-Bändchen »Lustige ­Geschichten« (Karl-May-Verlag) in die Hände spielte? Kein Zufall hingegen, daß ich als nimmermüder Humor­beobachter umgehend die wenigen Seiten des Büchleins durchlas, um meine Erinnerung aufzufrischen, nach welcher Karl May und Komik nichts miteinander zu tun haben.

 

Was ich denn auch bestätigt fand. Mani­festiert sich doch das »Lustige« in zwei Spielarten, nämlich einerseits jener der Helden, zum anderen der Anti-Helden, welche wieder­um in zwei Gruppen zerfallen, und zwar a) die bösen Schurken, die von den listigen ­Helden vorgeführt werden, und b) die harmlosen Trottel, denen die Funktion zukommt, das Heldenhafte der Helden per Kontrastwirkung zu verdeutlichen und zu erhöhen – und vielleicht auch den Lesern ein wenig Erholung vom moralinsauren Guttrappertum der sächsi­schen Supermänner zu gewähren, die Mays Romane bevölkern.

 

Heldenhumor äußert sich vorbildlich in der Geschichte »Sam Hawkins und seine Wetten«, einem Auszug aus dem »Ölprinz«, in dem Sam sich doof stellt, um den bösen Banden­chef Buttler um so nachhaltiger mit seinen wahren und freilich perfekten Fähigkeiten zu beeindrucken, was selbstverständlich aufs vorhersehbarste funktioniert, und zwar auch noch bei der hundertsten Anwendung von Sams immergleichem Trickschema. Womit auch gleich belegt ist, daß das ­Lustige der Bösen in ihrer himmelschreienden Dummheit besteht.

 

Bliebe noch die Deppenlustigkeit, wie z.B. in der Episode »Die Senfindianer« aus »Unter Geiern«, in welcher ein Neger ­namens ­»Masser Bob« einem – wie er meint – ­Opos­sum nachstellt, das er zu erlegen und verspeisen gedenkt, welches sich jedoch als Stinktier entpuppt und dem Neger sehr viel Spott und Hohn einbringt, zumal Old Shatterhand den tumben Barbaren eindringlichst vor den dräuen­den Gefahren gewarnt hatte. Aber wenn der­ ­Neger was Schmackhaftes zu verschnabulieren erhoffen darf, gibt’s halt kein Halten.

 

Karl Mays »Humor« ist grundsätzlich und – ich gebe es zu – erwartungsgemäß von jenem simplen Schwarz-Weiß-Schema gekennzeichnet, das die Kriterien der Trivial­literatur ebenso mustergültig umsetzt, wie es die Vorhersehbarkeit und Wiederholung einmal gemachter Späße tut. Daß so eine Gut-Böse-Weltsicht resp. Klug-Doof-Komik etwa heranwachsende Leser früherer ­Zeiten erfreute, ist verständlich, denn Kinder und Jugendliche brauchen klare Strukturen und pflegen herzhaft auch über recht platte Witze zu lachen, was ich ihnen von Herzen gönne. Ich hingegen fand auch bei meiner jüngsten May-Lektüre keinen einzigen halbwegs lustigen Satz im Silbensee.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Kleiner Tipp, liebe Eltern!

Wenn Eure Kinder mal wieder nicht draußen spielen wollen, zeigt ihnen doch einfach diese Schlagzeile von Spektrum der Wissenschaft: »Immer mehr Lachgas in der Atmosphäre«. Die wird sie sicher aus dem Haus locken.

Gern geschehen!

Eure Titanic

 So ist es, Franz Müntefering!

So ist es, Franz Müntefering!

Sie sind nun auch schon 84 Jahre alt und sagten zum Deutschlandfunk, Ältere wie Sie hätten noch erlebt, wozu übertriebener Nationalismus führe. Nämlich zu Bomben, Toten und Hunger. Ganz anders natürlich als nicht übertriebener Nationalismus! Der führt bekanntlich lediglich zur Einhaltung des Zweiprozentziels, zu geschlossenen Grenzen und Hunger. Ein wichtiger Unterschied!

Findet

Ihre Titanic

 Hände hoch, Rheinmetall-Chef Armin Papperger!

Laut einem CNN-Bericht lagen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten Hinweise zu russischen Plänen für einen Angriff auf Sie vor. So etwas nennt man dann wohl »jemanden mit seinen eigenen Waffen schlagen«!

Mörderpointe von Titanic

 Also echt, Hollywood-Schauspieler Kevin Bacon!

»Wie wäre es eigentlich, wenn mich niemand kennen würde?« Unter diesem Motto verbrachten Sie mit falschen Zähnen, künstlicher Nase und fingerdicken Brillengläsern einen Tag in einem Einkaufszentrum nahe Los Angeles, um Ihre Erfahrungen als Nobody anschließend in der Vanity Fair breitzutreten.

Die Leute hätten sich einfach an Ihnen vorbeigedrängelt, und niemand habe »Ich liebe Dich!« zu Ihnen gesagt. Als Sie dann auch noch in der Schlange stehen mussten, um »einen verdammten Kaffee zu kaufen«, sei Ihnen schlagartig bewusst geworden: »Das ist scheiße. Ich will wieder berühmt sein.«

Das ist doch mal eine Erkenntnis, Bacon! Aber war der Grund für Ihre Aktion am Ende nicht doch ein anderer? Hatten Sie vielleicht einfach nur Angst, in die Mall zu gehen und als vermeintlicher Superstar von völlig gleichgültigen Kalifornier/innen nicht erkannt zu werden?

Fand Sie nicht umsonst in »Unsichtbare Gefahr« am besten: Titanic

 Ach, welt.de!

Die Firma Samyang stellt offenbar recht pikante Instant-Ramen her. So pikant, dass Dänemark diese jetzt wegen Gesundheitsbedenken vom Markt genommen hat. Und was machst Du? Statt wie gewohnt gegen Verbotskultur und Ernährungsdiktatur zu hetzen, denunzierst Du Samyang beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, wo Du fast schon hämisch nachfragst, ob das Produkt vielleicht auch hierzulande verboten werden könne.

Das Amt sekundiert dann auch sogleich bei der Chilifeindlichkeit und zählt als angebliche »Vergiftungssymptome« auf: »brennendes Gefühl im (oberen) Magen-Darm-Trakt, Sodbrennen, Reflux bis hin zu Übelkeit, Erbrechen und Schmerzen im Bauch- und Brustraum. Bei hohen Aufnahmemengen können zudem Kreislaufbeschwerden auftreten – beispielsweise Kaltschweißigkeit, Blutdruckveränderungen und Schwindel«. Hallo? Neun von zehn dieser »Nebenwirkungen« sind doch der erwünschte Effekt einer ordentlich scharfen Suppe! Erbrechen müssen wir höchstens bei so viel Hetze!

Feurig grüßt Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
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09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster