Humorkritik | März 2008

März 2008

Breites Wissen

Ingo Niermans und Adriano Sacks Konvolut »Breites Wissen« (Eichborn) ist eins dieser zur Zeit ziemlich gängigen Derivate von »Schotts Sammelsurium«, kapriziert sich auf die »seltsame Welt der Drogen und ihrer Nutzer« und ist damit eines der eher originellen Listenbücher. Wir bekommen u.a. einen konzis kommentierten Drogenkatalog Hitlers geboten, erfahren einiges über die Reaktionen von Tieren auf Acid (Spinnen auf dem Trip etwa weben bei geringen Dosierungen ihre Netze »in sonst unerreichter Perfektion«), werden über die Drogen in der DDR informiert (u.a. Spee – ein Waschmittel! – mit Cola) und natürlich über die schönsten Drogen-Filme, -Bücher, -Legenden usf. Einiges ist bekannt, aber auch dort, wo ich mich halbwegs auszukennen meinte, wissen die beiden immer noch ein, zwei ausgefallene Beispiele zu nennen, die ich selbst nicht auf der Pfanne gehabt hätte (und die wohl auch nicht mal schnell zu ergoogeln sind). Das spricht für das Buch. Ebenso das arabeske, sozusagen »trippy« Layout, das an die März- und Trikont-Fibeln von einst erinnert.

 


Schön wird es, wenn die beiden diesen Kenneth-Anger-Katastrophen-Stil plagiieren. Unter der Überschrift »Die schlimmsten PCP-Horror-Meldungen« zum Beispiel nennen sie zunächst ein paar konkrete Fälle (etwa den des Studenten Carlos Innes, der sich die Augen auskratzte und sie einem Polizisten hinstreckte), um sich danach ganz dem boulevardesken Irrsinn hinzugeben: »Andere hackten sich mit einer Axt die Beine ab und verbluteten oder ertränkten sich in Straßenpfützen.« Über die Folgen von Balzacs Koffeinsucht (bis zu 80 Tassen Mokka am Tag!) wissen sie auch einiges: »Sein Gesicht wurde violett, er keuchte und konnte nur noch stoßweise sprechen. Seine Beine schwollen an, er litt an Abszessen und offenen Wunden. Zuletzt konnte er nur noch röcheln.«

 

Das Manko dieses Buch ist eins des ganzen Genres: Wenn es wirklich interessant wird, kommt schon die nächste Liste. Immerhin gibt es ein recht aufschlußreiches Literaturverzeichnis und auch zwischendrin immer mal Quellenverweise. Es bleibt also dem geneigten Leser überlassen, ob er sich mit den hier gebotenen Häppchen bescheidet oder wirklich »Breites Wissen« erwerben will.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner