Humorkritik | September 2007
September 2007
Wie man leben soll …
Glavinic, Thomas – nie gehört? Na klar; sonst müßte ich mir kaum die Mühe machen, seinen Roman »Wie man leben soll« (dtv) vorzustellen, nebst dessen Hauptdarsteller: Charlie Kolostrum nämlich, ein ewig vor sich hin summender Klops mit Aknebewuchs, der Adoleszenz, ersten Eros und Studium vergeigt und langsam aber stetig zum Vollzeit-Taxifahrer und Spielhallenafficionado aufsteigt; eine schöne Karriere. Noch schöner nur, wie Glavinic den Tonfall von Lebensratgebern parodiert, persifliert und perpetuiert. So gebraucht der Erzähler für den Protagonisten nur das unpersönliche Pronomen »man«: »In Ovids ›Ars amandi‹ hat man gelesen, es sei ratsam, die Geliebte nicht mit der Ziege Gemahl zu belästigen, womit der Bocksgeruch unter der Achsel gemeint ist. Während man sich Duschgel auf die Haut schmiert, schmettert man ›Jumping Jack Flash‹. Den Originaltext, den man nicht auswendig weiß, ersetzt man wie üblich durch spontane Interpretation. Man ist überzeugt, eine schöne Stimme zu haben und alle Töne zu treffen. Dennoch protestiert Mutter durch Schreie und Schläge gegen die Tür.«
Diese scheinbar neutrale Erzählperspektive erlaubt es auch, den Erzählfluß immer wieder durch Merksätze zu unterbrechen (»Merke: Mit wem man geht, ist zumeist eine Frage der Gelegenheit, nicht der Wünsche«); und obwohl »man« später versehentlich andere Menschen exekutiert, wird Glavinic schlußendlich seinen Charlie ganz slatkoesk zum Erfolg führen – und sein Buch in bislang noch nicht so abgegrastes Komikterritorium. Aber das wird man ja wohl lieber selbst nachlesen.
Ach, Scheuer-Andi,
