Humorkritik | September 2007

September 2007

»Weeds« über Eck

Wer behauptet, daß zum Themengroßkomplex Cannabis et al. schon so ziemlich alle relevanten Witze irgendwann mal gemacht worden sind und dabei zuvörderst an Film- und Fernsehproduktionen denkt, der hat so unrecht natürlich nicht. Die Mittwoch nachts auf ProSieben gezeigte Serie »Weeds« hat dennoch ihre Daseinsberechtigung: Sie nutzt die auch in den USA illegale, aber irgendwie von weiten Teilen der Gesellschaft akzeptierte zweite Volksdroge als Aufhänger für die Betrachtung der verlogenen Parallelwelten der amerikanischen Suburbia – und damit ist »Weeds«, was »Desperate Housewives« gerne gewesen wäre.

 

Der Grundplot: Eine junge Witwe mit zwei Söhnen ist gezwungen, mit Marihuana zu dealen, um den Lebensstandard einiger­maßen halten zu können – bietet dabei nicht nur Stoff für Komik. So entsteht durch mehrere Anleihen aus dem Repertoire traditio­neller TV-Serien (eine fortlaufende Erzählung, Cliffhanger usw.) die derzeit so beliebte Mischform, die aber jederzeit klarmacht, daß es sich um eine Satire handelt. Schon der Vorspann verdeutlicht, was vorgeführt ­werden soll: Die Einförmigkeit der Wert- und Lebensvorstellungen vorgeblich vorbildlicher Amerikaner. Das zeigt sich dann auch in der Charakterzeichnung der Figuren. Während alle vermeintlichen Normalbürger mehr oder weniger psychotisch agieren, handeln die typischen Randfiguren der Gesellschaft, die schwarzen Drogendealer und -produzenten, die hispanischen Hausangestellten usw. auffallend vernünftig.

 

Zwar bemühen sich die Autoren, Witze nicht durchweg über Dialoge zu erzwingen, sondern eher aus dem Zusammenspiel der extremen Charaktere, was zu einer für amerikanische Sitcoms recht geringen Witzdichte führt; auch scheint mir fraglich, ob das Konzept über die nur zehn Folgen starke erste Staffel hinaus funktioniert.

 

Da ich mir die synchronisierte Fassung erspart habe, weiß ich nicht, wie mein Lieblingswitz übersetzt wurde: Nachdem der Schwager und der Finanzverwalter der Hauptfigur die neue Lieferung ausführlich in der Sofaecke getestet haben und sich darüber uneinig sind, wie man denn nun genau den Teil benenne, der sich zwischen »dick« und »asshole« befindet, rufen sie genau diese Frage der vorbeischlendernden Haushälterin zu, die darauf antwortet: »Couchtisch.«

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella