Inhalt der Printausgabe

Mai 2006


Humorkritik
(Seite 3 von 8)

Fußball I: Erledigt
Ein, zwei Blicke, und man weiß alles. »Sportmoderator Gerhard Delling präsentiert Interessantes und Witziges rund um den Ball«, annonciert die Rückseite der giftgelben Langenscheidt-Fibel »Fußball – Deutsch, Deutsch – Fußball«, die im Zuge der schon jetzt nur noch durch forciertes Ignorieren oder Auswandern erträglichen Flut an Fußballbuchpublikationen einen Meilenstein in Sachen knallhart auf den Kopf geklatschter Lustigkeit verspricht – und auf 128 kleinen Seiten dann auch regelrecht deprimierend erwartbar auf uns wälzt.
Um »Männer, Mythen, Meisterschaften« soll es in diesem Sprachleitfaden gehen, angebliche »Rätsel« und so plane Begriffe wie »Abseits« und »Flankengott« werden »mit einem Augenzwinkern« erörtert, und zwischendurch kredenzt uns »Sprachtrainer« Delling, diese norddeutsche ARD-Flachpfeife an der Seite des Tieffaslers G. Netzer, »überraschende Erkenntnisse« und Fußballwitze, die derart kropfüberflüssig und verschimmelt sind, daß man sie noch nicht mal erwähnen möchte – erdreistete sich Delling in einem Fall nicht, eine wahre Begebenheit rund um den genialischen und am Alkohol zugrunde gegangenen HSV-Trainer Branco Zebec zum schalen Stammtischklopfer zu zerquälen.
Zebec, vom Spiritus zerrüttet, fragte einmal zwischen zwei Nickerchen auf der Bank seinen Assistenten, warum der eigene Mann so frei zum Schuß komme. Der Co-Coach antwortete trocken, es sei Elfmeter für den HSV gepfiffen worden. Bei Delling liest sich das folgendermaßen: »Während eines Fußballspiels sitzt der Trainer hektisch auf der Bank. Plötzlich springt er auf und ruft seinen Spielern zu: ›Wieso kommt der Gegner so frei zum Schuß?‹ Ein Spieler ruft genervt zurück: ›Ist doch ein Elfmeter.‹«
Abgesehen davon, daß ich gerne wüßte, wie ein Mensch hektisch zu sitzen vermag, und abgesehen davon, daß Roger Willemsen diesem Sputum von Buch ein widerwärtiges Vorwortgeschleime spendiert, das Herrn Delling eine außerordentliche Begabung zur sprachlichen Reflexion attestiert, ist das Lexikon aber sehr geraten und gelungen. Denn ausnahmslos jedes Lemma wird nach dem immer gleichen, selbst mir begreiflichen Schema des erklärten Witzes, der keiner ist, behandelt. Nämlich in dieser Art: »Abstauber, der: Nicht – wie auf den ersten Blick vielleicht zu vermuten – eine Haushaltshilfe, sondern ein Stürmer mit einem sogenannten Torriecher« usf. Oder in jener: »Beinschuß, der: Zwar ist das Hantieren mit Schußwaffen auf dem Spielfeld« usf. Bzw. so: »Im Unterschied zu einer Mauer aus Stein kann eine Mauer aus Spielern hochspringen.«
Nein, ich krieg’ mich angesichts der Causa Fußballbuch langsam nicht mehr ein und sage es deshalb hier mal ein wenig prinzipieller: Fußball ist in der Regel nicht komisch. Fußball ist eine ernste, meist daseinsbeschwerende Angelegenheit – sofern der Management-Event-Moderatoren-Fußball, der sich zusehends als würdelos dauerbequatschte Zeitvernichtungsmaschinerie inszeniert, nicht vielleicht längst in Gänze obsiegt hat. Und dann hätte so oder so der große Ror Wolf ohnehin abermals durchschlagend recht: »Der Fall ist erledigt.«

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg