Inhalt der Printausgabe

Juli 2005


Humorkritik
(Seite 7 von 9)

Woody Allens nicht Allerneuester
Auch wenn es Woody Allen in den letzten dreißig Jahren tatsächlich geschafft hat, dreißig Kinofilme zu drehen, war der alljährliche Kinostart seines jeweils neuen Films stets ein besonderes Ereignis im laut blubbernden Einheitsbrei der Kinolandschaft. Seine Werke wurden in Deutschland von wechselnden Verleihern herausgebracht, der Jahresrhythmus konnte aber meist eingehalten werden.
Mittlerweile landen seine Filme auf dem freien Filmmarkt, und die unabhängigen Verleiher in Deutschland trödeln mit den Werken des Altmeisters so schludrig herum, als hätte man Zeit wie Heu zur Verfügung. "Hollywood Ending" von 2002 kam auf diese Weise vollkommen unter die Räder, der einzige Woody Allen, der bei uns überhaupt noch nicht zu sehen war. Um den zu begutachten, muß man sich schon die amerikanische Regionalcode-1-DVD besorgen oder lange im Internet saugen. Und hätte sich doch ein Verleih dafür gefunden, wäre der Film mit Allens "Fluch des Jade-Skorpions" von 2001 kollidiert, der bei uns ein Jahr zu später anlief.
"Anything Else", den ich schon 2003 auf dem Filmfest in Venedig sah, lief erst letztes Jahr fast unbemerkt in den hiesigen Kinos. Nachdem der allerneueste Streich "Match Point" gerade in Cannes Premiere hatte, startet dieser Tage und viel zu spät das Werk von 2004 endlich bei uns: "Melinda und Melinda". Was für eine Respektlosigkeit! Der Mann mag durch die Heirat mit seiner eigenen Adoptivtochter einen Sinn fürs geschmacklich Grenzwertige bewiesen haben - seine immer noch hochintelligenten und oft genug auch hochkomischen Geschichten jedoch sind besser als beinahe alles, was sonst im Kino zu sehen ist.
"Melinda und Melinda" erzählt zwei Geschichten von zwei Melindas (beide: Radha Mitchell), deren eine einen komödiantischen Verlauf nimmt, die andere einen tragischen. Beide Geschichten mit unterschiedlichen und, wie immer bei Allen, perfekt besetzten Nebendarstellern werden parallel geschnitten, inhaltlich jedoch unabhängig voneinander erzählt; ein ungewöhnliches filmisches Experiment, welches aber vollständig gelingt. Man kann nur hoffen, daß sein vielgelobter Neuling "Match Point" doch noch Ende dieses Jahres ins Kino kommt, sozusagen als kleine Anerkennung für den Regisseur, der im Dezember 70 Jahre alt wird. Falls man das verschläft, hockt schon Allens noch unbetiteltes Projekt für 2006 in den Startlöchern.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg