Inhalt der Printausgabe

Juni 2002


Humorkritik
(Seite 7 von 10)

Navigierende Mönche

Drei Männer sind's, die sich in Jim Jarmuschs "Down by Law" durchs Gebüsch schlagen, zu dritt auf Tour gehn die Dame und die beiden Herren in Detlev Bucks "Wir können auch anders", ein Männertrio trampt durchs "O Brother, Where Art Thou?" betitelte Roadmovie der Coen-Brüder - kein Wunder, daß auch Zoltan Spirandelli seine hauptagierenden Mönche in "Vaya con Dios" dreieinig auf Wanderschaft schickt. Wobei mir von den besagten motiv- und genreverwandten Filmen der letzgenannte Neuling schon am besten gefällt.
Höchst beachtlich, wie der angestaubten Hinterwäldler-treffen-Zivilisation-Thematik abermals eine originelle Variante abgewonnen wird. Lassen doch die beiden Pole der Geschichte - Yuppiewelt süddeutscher Journalistenkreise einerseits, entrückt-as-ketische Lebensweise im fiktiven "Cantorianer"-Orden andererseits - allerlei abgeschmackte Pointenkurzschlüsse erwarten. Daß statt dessen ein haltbarer, effektiver Stromkreis zustande kommt, liegt haupt-sächlich an jener Sorgfalt, mit der die Märchenkomponente der Geschichte gepflegt wird, die frei erfundene Klosterwelt also. Die Herren "Cantorianer" nämlich (die, reichlich esoterisch, Gotteserkenntnis via A-capella-Gesang erreichen wollen) repräsentieren ihren Orden dermaßen sympathisch, glaubwürdig und musikalisch blitzsauber, daß sie nicht weniger echt erscheinen als die hundertprozentig säkulare weibliche Hauptperson (Chiara Schoras). Hier macht sich Spirandellis Qualifikation als gelernter Opernregisseur ebenso bezahlt wie im Fall der partiturmäßig exakten Schnitte. Und last not least sind die Slapstick-Passagen nicht zu verachten - ist das Navigationsgimmick, wie sich's in modernen Autos findet, vorher schon einmal komisch thematisiert worden?
Aufs schönste jedenfalls geschieht das hier: Gejagte Mönche im Mercedes-Fluchtfahrzeug legen just durch gehorsame Befolgung der Navigationshinweise eine veritable Amokfahrt hin. Als vorm avisierten Bahnhof Absperrungen und ein Marktstand überrollt werden, resümiert die navigierende Digital-Frauenstimme: "Sie haben Ihr Ziel erreicht." Für Spirandelli und sein Ziel einer brauchbaren deutschen Komödie gilt das ebenfalls.



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg