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Vorschlag zur Güte #33

Scheinbar unüberbrückbare Differenzen spalten unsere Gesellschaft dieser Tage, wohin man auch schaut. Dem ehemaligen TITANIC-Chefredakteur und Hobby-Mediator Moritz Hürtgen lässt das keine Ruhe, liegt eine versöhnliche Lösung doch oft auf der Hand.

Die Kolumne von Moritz Hürtgen erscheint jeden Dienstag nur bei TITANIC.


Laut den jüngsten Äußerungen des bekannten Unternehmers Elon Musk hat der „Spiegel“ in seiner Berichterstattung mehr oder weniger direkt dazu aufgerufen, den Tesla-Chef zu ermorden.

Vorschlag zur Güte:Der „Spiegel“ ruft in einem weiteren Artikel ausdrücklich dazu auf, Musk nicht zu ermorden. Im Gegenzug lässt Musk für ein Jahr von Markus Feldenkirchen begleiten.

 

What are the Odds?

Im entlegenen und größtenteils unerforschten Marianengraben wurde von der völlig verdutzten Besatzung des Forschungs-U-Boots "Limiting Factor" in 11 000 Metern Tiefe eine unversehrte Bierflasche gefunden. Diese Entdeckungen an ungewöhnlichen Plätzen wären ebenfalls eine faustdicke Überraschung:

  • AfD-Parteizentrale: Tresor mit 80 Millionen Exemplaren des Grundgesetzes als Handreichung für den Tag der Machtübernahme
  • Putins Büro: NICHT komplett in Rot eingefärbte Weltkarte mit einer anderen Landesangabe als "Sowjetunion"
  • Markus Söders Bankschließfach: Aufrichtiges Entschuldigungsschreiben mit dem Hinweis "Im Falle meines Todes bitte an Armin Laschet versenden"
  • Tino Chrupallas Körper: ca. 5 Kilogramm an abgebrochenen Nadeln, Messerspitzen und umherwandernden Granatsplittern vom "Attentat" in Ingolstadt
  • Friedrich Merz' Portemonnaie: Kompromittierende Fotos vom besoffenen Markus Söder beim Mitfeiern auf einer Party des Bündnis 90/Die Grünen-Kreisverbands Oberfranken
  • Irgendwo zwischen Israel, Gaza und dem Libanon: Büchse der Pandora mit der Aufschrift "Komme, was wolle, das Scheißding bleibt auf jeden Fall zu!"

PH

Tipps für die Pilzsuche

In diesen Tagen zieht es die Menschen wieder in Scharen in die Pilze. TITANIC liefert eine bunte Pfanne halbgarer Tipps für Neulinge und Pilzinteressierte

Die erste Regel lautet: Beim Pilzesammeln kann man im Prinzip nichts falsch machen. Anders gesagt: "Probieren geht über studieren" heißt hier die Devise. Im Zweifel gilt es eben auch einfach mal hineinzubeißen in das gute Stück und bewusst zu schmecken, was der Wald kredenzt. Der menschliche Körper hält von Haus aus schon beeindruckende Möglichkeiten bereit, einem mitzuteilen, ob das Fundstück denn nun giftig ist oder nicht. Mit der Erfahrung lernt man dann ganz von allein, die bisweilen gar nicht einmal so subtilen Zeichen der Natur zu lesen. Mit grellen und auffälligen Farben bei Hüten und Lamellen wollen Pilze dem Menschen sagen: "Iss uns! Am besten hier und auf der Stelle." Schnell fühlt man sich dabei wie ein Kind im Süßigkeitenladen, verliert die Orientierung ob all der bunten Lichter und entdeckt mit etwas Glück sogar scheue Wichtel, die über das Moos tanzen, und mit denen man sich, hat man erst ihr Vertrauen gewonnen, erstaunlich gut unterhalten kann. Wenn man drei Tage später ohne Kleidung auf einer Lichtung wieder zu sich kommt, knurrt der Magen meist schon wieder und der Spaß geht von vorne los. Anfänger sollten jedoch stets ein Smartphone zur Hand haben, um im Notfall und auf die Schnelle bei unbekannten Nutzern in den sozialen Netzwerken eine Freigabe einzuholen. Nach einem selbstbewussten "Passt schon!" irgendeines Users in irgendeiner Facebook-Pilzgruppe schmeckt die Knolle schließlich gleich doppelt so gut. Mit im Gepäck eines jeden Pilzsammlers sollten zudem stets ein Pinselchen zum Säubern der Funde sowie eine Ersatzleber sein. Viel Spaß!

FL

Buchmessen-Spezial (IV): Als ich träumte

Ein Gastbeitrag von Bestsellerautor Clemens Meyer über seine Nichtberücksichtigung beim Deutschen Buchpreis 2024

Ich fluchte fürwahr, als ich dem Frankfurter Römer entschwebte (obschon ich laut Zeit "herausstürmte"). Es ist nun einmal besagter Verrat an der Literatur, dass meine "Projektoren" nicht mit dem verdammten und im Übrigen mit dem Preis der Leipziger Buchmesse (den ich selbstredend dereinst gewann) nicht ansatzweise vergleichbaren Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurden. Ich schäme mich nicht. Ich bin nicht der Großmannssucht anheimgefallen. Ich bin nicht sauer. Ich bin nur enttäuscht. Ich dachte, wir wären weiter. Sind es die Tattoos? Überhaupt: Gastland Italien? Pizza, Pasta, Postfaschismus! Warum nicht mal Gastland Ex-DDR? Integriert doch erst mal uns! Wo ist Denis Scheck, wenn ich ihn mal brauche? Vermutlich auf dem Gestüt der Kollegin Juli Zeh. Morgen werden mir die Redaktionen von FAZ bis Taz entgegentippen: "Misogyner Meyer, sei doch solidarisch mit der Frau aus Leipzig, die den Preis gewonnen hat!" Tja, schlecht recherchiert, die Hefter ist geborene Schwäbin. Und die sind in Leipzig schon lange ein Ärgernis. Mieten! Muss ich noch mehr sagen? Ja. Zerstörung der Subkultur, Gentrifizierung, Bienensterben durch Bodenversieglung. Ich will nicht alles auf Frau Hefter projizieren, ich bin kein Projektor. Das war eine Anspielung auf mein Buch. 1056 Seiten Brutalität, sieben Jahre Buchstaben unter Höllenqualen in die Tastatur geprügelt. Die große Rehabilitierung des Karl-May-Gesamtwerks und nicht zuletzt die erste ernstzunehmende und transepochale Aufarbeitung der Balkankriege aus postsozialistischer Sicht. Urteil der "Jury"? Zweitklassig. Das ist ehrabschneidend. Im Interview mit dem Spiegel hatte ich versprochen, das Schreiben aufzugeben, wenn dieses Werk, mein Opus magnum, nicht erfolgreich wird. Begebe ich mich ebendeshalb in eine Eremitage und halte mein Maul? Nein. Jemand wie ich, der bereits als Bauarbeiter und Punk gearbeitet hat, weiß um den Luxus, Zeit zu haben für Fragen à la "Hey guten Morgen, wie geht es dir?". Das kann man sich leisten, wenn man von den Eltern aus Schwaben eine Leipziger Eigentumswohnung zur Kommunion geschenkt bekommen hat. Ich war Bauarbeiter! Ich war Punk! Vom Bordstein zur Skyline (per Aufzug, ich schreibe diese Zeilen auf der Dachterrasse des Main Towers). Ich könnte mir Frankfurt nie leisten. Finanziell schon. Aber nicht moralisch. Mein Buch "Die stillen Trabanten" hätte im Westen nachgerade keine Sau mit besonders lärmarmer Automobilproduktion in Verbindung gebracht. Albern? Nun ja, "Im Stein" (Empfehlung!) liegt die Wahrheit, und zwar im Elbsandsteingebirge. Partisanen, Indianer, Inspiration. Mit der S-Bahn von Leipzig anderthalb Stunden, von Frankfurt hingegen eine Weltreise. Ich huldige heute dennoch in Sachsenhausen dem Bacchus, wenn ich schon mal in dieser gesichtslosen Geldstadt bin. Quatsch, ich trink' nur Sterni. "Die Nacht, die Lichter. Stories" (ISBN: 9783100486011, Hardcover) – es muss einfach weitergehen. Zu viele Posten als Stadtschreiber sind vakant. Liebe Welt, linkische Buchpreisjury: Ihr werdet trotz allem von mir lesen!

MWei

Buchmessen-Spezial (III): Italienische Einflüsse in Frankfurt

Frankfurt am Main – das Neapel des Nordens, das Venedig des Westens, die Stadt der hundertachtzig Kirchen. Kaum eine Metropole in Deutschland versprüht einen solch mediterranen Flair wie die Perle am Main, umso passender also, dass Italien dieses Jahr das Gastland der Frankfurter Buchmesse ist. Pünktlich zu diesem Fest der italodeutschen Freundschaft haben die Italien-Aficionados von TITANIC für Sie einige lokale Geheimtipps zusammengetragen, damit Sie auch außerhalb der Buchmesse das Francoforte in Frankfurt wiederfinden können. Ein kleiner Stadtspaziergang in fünf Stationen:

Römer
Mit der ersten Station unseres Rundgangs reisen wir in der Geschichte Italiens zurück. Der Frankfurter Römer ist eines der Hauptwahrzeichen der Stadt, das nicht nur durch seine typisch ockerfarbene Fassade die Toskana in den Taunus bringt. Tatsächlich stammt der Römer, wie der Name bereits nahelegt, aus der Zeit, als Frankfurt noch Nida hieß und nur aus einer Zeltkaserne, verstreuten Villae Rusticae und einem abgemetzelten Germanenstamm bestand. Das heutige Rathaus wurde damals als Übergangsbau konstruiert, um der zunehmenden Flut an Agrarsubventionsanträgen des kolonisierten Umlandes Herr zu werden. Überraschenderweise hat sich der Behelfsbau bis heute gehalten und beherbergt weiterhin traditionell Personalabteilung und Tiefbauamt. Man munkelt sogar, dass einige Mitarbeitende aus den ersten Tagen ihre Büros noch immer nicht verlassen hätten und aus Frust über die Bürokratie noch heute durchs Gewölbe spuken.

Shopping in der Frankfurter Innenstadt
Anders als in Funktionsjacken-Dunkeldeutschland ist Mode ein großer Teil der italienischen Kultur. Doch warum nach Mailand, wenn das Gute so nahe liegt? Wenige Schritte vom Römer laden wir Sie daher zu einem gemütlichen Einkaufsbummel zwischen Goethestraße und Zeil ein. Neben Gucci, Prada und Versace lassen sich hier aufstrebende Designer wie etwa Zalando (ital. für Salamander) entdecken. Dieser Stopp unseres Rundgangs eignet sich außerdem perfekt, auch Buchfeinden ein kleines italienisches Souvenir von der Buchmesse mitzubringen. Unsere Empfehlung: Sneakersöckchen von Gucci für schlappe 499 Euro oder der gute Aldi-Limoncello für 3,32 Euro.

"Paris Döner & Pizza Haus"
So viel Kultur kann hungrig machen. Für eine echt italienische Stärkung zwischendurch empfehlen wir das "Paris Döner & Pizza Haus" in Bockenheim. Das Besitzerehepaar aus der kleinen Stadt Paris im Hinterland in Umbrien serviert hier authentische norditalienische Rezepte direkt aus dem Familienkochbuch. Besonders die "Dönerpizza" ist ein echter Geheimtipp! Zum Essen empfehlen wir das italienische Kultwasser San Pelegrino, dem vom Papst heilende Kräfte zugesprochen wurden. Die Bewertungen auf Google preisen vor allem den netten Service an sowie die vielen Haare im Essen.

Turiner Straße
Um ganzheitlich alle Sinne anzusprechen, setzen wir unseren Rundgang auf der Turiner Straße am Hauptbahnhof vor. Schließen Sie die Augen, saugen Sie den Duft von Tausenden Vespas tief in ihre Lungen ein und genießen Sie das ewige Rauschen der Zypressen, das Sie direkt in den Piemont transportiert. Die Turiner Straße steht ihrem Namensvorbild auch in ihrer Anmut und der stillen Eleganz der Funktionsbauten in nichts nach. Wir empfehlen den Ort insgesamt als Unruhe-Oase in dieser viel zu hektischen Stadt, an die man oft wiederkommen, entspannen und Kraft tanken kann.

Frankfurt Airport
Der letzte Stopp unserer Stadttour führt Sie etwas außerhalb an den Frankfurter Airport, der als viertgrößter europäischer Flughafen auch einer der führenden Drogenumschlagplätze Deutschlands ist. Neben unzähligen Koffern und Urlauber*innen rollen dank Cosa Nostra, ‘Ndrangheta und Camorra hier jedes Jahr Millionen Kilo Kokain und ebenso viel süditalienische Flair über das Transportband. Unsere letzte Station eignet sich gut für einen Familienausflug, da Sie mit ihren Kindern z. B. "Ich sehe was, was die Polizei nicht sieht" oder "Wer ist Mafioso?" spielen können.

Lara Wagner

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gut gehobelt, Noemi Molitor (»Taz«)!

»Unser Handwerk im Journalismus ist die Sprache. Bei genau diesem Werkzeug lohnt es sich also, genau hinzuschauen und auch ethische Fragen an orthografische Regeln zu stellen.«

Die Sprache: Handwerk und Werkzeug in einem. Wird auch nicht besser mit dem Fachkräftemangel, wie?

Schaut genau hin: Titanic

 Und Du, »Braunschweiger Zeitung«,

hast uns mit Deiner Überschrift »Diese beiden tödlichen Keime bekämpfen Forscher aus Braunschweig« einen kleinen Schrecken eingejagt. Viel lieber wäre uns in eh schon schweren Zeiten die Headline »Forscher aus Braunschweig bekämpfen diese beiden tödlichen Keime« gewesen.

Bitte auf uns arme Seelen achten, wünscht sich

Deine Titanic

 Philipp Bovermann (»SZ«)!

Früher hatten Sie Angst vor der Klimakatastrophe. Heute sind Sie Mitte dreißig und haben dazugelernt: »Ich kann heute nur noch darüber staunen, wie wenig tief mich die Tatsache bekümmert, dass der Planet überhitzt, dass Arten verschwinden, Ökosysteme kollabieren, Regenwälder brennen, Meeresböden sich in Wüsten verwandeln. Menschen werden sterben, Menschen sterben schon heute, das Leid der Tiere sprengt alle Vorstellungskraft – aber jetzt stehe ich auf meinem Balkon, habe mir ein Leben aufgebaut, mit einem tollen Job, einer tollen Frau, einer tollen Tochter, unten auf dem Teich schwimmt eine Entenfamilie vorbei, und geblieben ist nur die sanfte Sorge, dass ich mir zu wenig Sorgen mache. Ich grusele mich vor mir selbst. Aber nur ein winziges bisschen.« Denn »vielleicht ist es rational, wegen des Klimawandels ruhig zu bleiben und sich auf das Leid im Hier und Jetzt zu konzentrieren. Die Welt wird schon nicht gleich untergehen.«

Nein, Kollege Bovermann, wird sie nicht, jedenfalls Ihre nicht. An den Menschen in Südostasien oder Osteuropa, betroffen von einem exemplarischen Regen aus der neuen Klimagegenwart, schwimmen derweil keine Entenfamilien, sondern ihre toten Töchter vorbei, während Sie sich so arg auf das Leid im Hier und Jetzt konzentrieren, dass es alle Vorstellungskraft sprengt.

Vorm ewigen Jungspießer gruselt’s da ein bisschen: Titanic

 Hmmm, Aurelie von Blazekovic (»SZ«)!

Am Abend der Wahlen in Thüringen und Sachsen hatte die ZDF-Chefredakteurin Schausten dem 1. September 2024 den 1. September 1939 an die Seite gestellt, und dazu fiel Ihnen dies ein: »Das Dämonisieren von Rechtspopulisten hatte bisher keinen Erfolg. Egal, wie richtig es ist, dass die AfD gefährlich, radikal, extrem ist. Politiker, Journalisten, Demokratieverteidiger können das immer noch lauter und lauter rufen – aber es bringt nichts. Die berechtigten Warnungen sind inzwischen leere Formeln. Die Wahlergebnisse der AfD sind immer besser geworden, der Trotz immer erheblicher. Die Tatsache, dass sie sich beständig als Opfer von Medien inszenieren kann, hat der Partei genutzt. Es ist nicht die Aufgabe von Bettina Schausten, die AfD kleinzukriegen, sondern die der anderen Parteien. Sie sollten mal über den Tim-Walz-Weg nachdenken. Ist Björn Höcke etwa nicht weird

Ist er. Hitler war es auch, und ihn als »Anstreicher« (Brecht) oder inexistenten Krachmacher (Tucholsky) zu entdämonisieren, hat bekanntlich so viel gebracht, dass diese Sätze nie haben fallen müssen: »Man hat mich immer als Propheten ausgelacht. Von denen, die damals lachten, lachen heute Unzählige nicht mehr, und die jetzt noch lachen, werden in einiger Zeit vielleicht auch nicht mehr lachen.«

Wegweisend winkt Titanic

 Bitte schön, Annika Stechemesser!

Sie sind Klimaforscherin in Potsdam, wurden in der Frankfurter Rundschau am Tag nach den brisanten Landtagswahlen zum Thema »effektiver Klimaschutz« interviewt, und da wir heute auf keinen Fall Witze mit Namen machen wollen, lassen wir das einfach mal so stechen, äh, stehen!

Ganz lieb grüßt Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Unterzucker

Wenn man sich bei seinem Lieblingsitaliener keine Pizza bestellen kann, weil man nicht alle Vespas auf den Fotos gefunden hat – liegt das dann am nicht bestandenen Turin-Test?

Lara Wagner

 Mitläuferin? Ganz im Gegenteil!

Meine Oma fuhr im Widerstand Motorrad.

Andreas Maria Lugauer

 Unangenehm

Auch im Darkroom gilt: Der Letzte macht das Licht aus.

Sebastian Maschuw

 Kurzzeitgenossen

Bei der Meldung zu Anton Bruckners 200. Geburtsjubiläum (4. September) und dem tags darauf sich jährenden Geburtstag Heimito von Doderers (5. September) mit Interesse bemerkt, dass beide Herren im Jahr 1896 kurz gleichzeitig am Leben waren: nämlich fünf Wochen und einen Tag lang, von Klein-Heimitos Entbindung bis zu Bruckners Tod am 11. Oktober. Solche ganz knapp verpassten Möglichkeiten der Seelenwanderung faszinieren mich. Was wäre gewesen, hätte man Doderer etwas später zur Welt gebracht, wäre Bruckners Geist schon ein paar Wochen früher »frei« gewesen? Hätte Wien / Ansfelden ein reinkarniertes Doppeltalent Heimtoni von Brucknerer überhaupt ausgehalten, hätte die literarisch-musikalische Welt unter dem Eindruck der »Strudlhofsinfonie«, des »Rondo in c-Moll für Streichquartett und einen Merowinger« (Alternativtitel: »Die tonale Familie«) oder der kurzen vierstimmigen Motette »Die Peinigung der Orgelpfeifelchen« vor Entzücken und Überwältigung alle viere von sich gestreckt, aufgegeben und ihren Kulturbeutel auf immerdar zusammengepackt? – Dass das Spekulieren über solche vergeigten Leider-nicht-Seelenwanderungen nur sehr ausnahmsweise Sinn ergibt, dämmerte mir aber, als ich ad notam nahm, mit welchen Gruselgestalten und potentiellen Reinkarnationsgefäßen seinerseits Doderer seine allerletzten Tage im Herbst 1966 verbringen musste: Stefan Raab (*20.10.66), David Cameron (*9.10.66), Caroline Beil (*3.11.66) und sogar noch haarscharf David Safier (*13.12.66, »Miss Merkel – Mord am Friedhof«; »Der kleine Ritter Kackebart«). Dann schon lieber die Seele mit in die Hölle nehmen.

Michael Ziegelwagner

 Zum Sterben hoffentlich zu dämlich

In der Wartezone der Arge in Fürth sitzen zwei Männer um die vierzig. Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Tageszeitung so, dass der zweite mitlesen kann. Geduldig blättern sie gemeinsam bis zur Seite mit den Todesanzeigen. »Schau«, sagt der eine, »da ist einer zwei Mal gestorben.« – »Wie kommst du darauf?« – »Lies doch! Derselbe Name in zwei Anzeigen.« – »Tatsächlich! Zwei Mal gestorben. Wie er das wohl geschafft hat?« Eine längere Denkpause setzt ein. »Wahrscheinlich einer wie ich, der nichts auf Anhieb hinkriegt«, schlussfolgert der eine dann. »Ha, das kommt mir bekannt vor!« stimmt der zweite ein. »Meine erste Frau mit den Kindern abgehauen, Führerschein schon drei Mal gemacht. Also zwei Mal wegen Alkohol, und ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier nach einer neuen Arbeit angestanden bin.« – Seufzend: »Hoffentlich kriegen wir wenigstens das mit dem Sterben mal besser hin als der hier …«

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
23.10.2024 Karlsruhe, Tollhaus Max Goldt
23.10.2024 Berlin, Walthers Buchladen Katharina Greve
24.10.2024 Stuttgart, Im Wizemann Max Goldt
25.10.2024 Potsdam, Waschhaus-Arena Thomas Gsella