Humorkritik | Februar 2018
Februar 2018
Ewig weiterleben; – ich räume ein, es hat ein bißchen was Komisches, aber es gibt wenig ernste Sachen, die nicht auch eine komische Seite hätten.
Theodor Fontane, »Der Stechlin«
Nicht besonders fair
Der Film »Three Billboards Outside Ebbing, Missouri« erzählt von Mildred Hayes, alleinerziehende Mutter zweier Teenager, deren Tochter vergewaltigt und ermordet wurde. Zwölf Monate nach der Tat mietet Mildred am Rande des fiktiven Örtchens Ebbing drei »Billboards«, in den USA übliche überdimensionale Werbetafeln. Wie an vielen anderen sterbenden Kleinstädten in den deindustrialisierten USA führt auch an Ebbing längst ein Freeway vorbei, weshalb kaum jemand die Billboards zur Kenntnis nimmt – außer den regelmäßigen Polizeistreifen. Genau auf diese hat es Mildred abgesehen. Ihrer Meinung nach unternehmen sie nämlich zu wenig, um den Mord an ihrer Tochter aufzuklären: »Beim Sterben vergewaltigt«, plakatiert sie, »Immer noch keine Verhaftungen?« und »Wie kommt’s, Chief Willoughby?« Letzterer, gespielt von Woody Harrelson, ist Krebspatient im Endstadium und hat eigentlich genug damit zu tun, seine Untergebenen im Zaum zu halten und sich von seiner Frau und den beiden kleinen Kindern zu verabschieden – aber bevor Sie jetzt denken, Sie hätten statt der Humorkritik die Katastrophenkritik aufgeschlagen, lassen Sie sich gesagt sein: Dieser Film ist nicht nur gut, sondern auch komisch.
Regisseur und Drehbuchautor Martin McDonagh (»Brügge sehen … und sterben?«, »7 Psychos«) zeigt eine Frau, die nach dem Mord an ihrer Tochter all der Wut, dem Haß und der Weltverachtung, die sich in ihr angesammelt haben, freien Lauf läßt und mit Fortschreiten der Geschichte immer teuflischere Freude daran entwickelt, sich selbstgerechte Autoritäten wie Polizei, Kirche, Presse und den örtlichen Zahnarzt vorzuknöpfen: Sie verprügelt Jugendliche, sie erklärt dem Priester, von Vertretern eines Pädophilenvereins nehme sie keine moralischen Ratschläge entgegen, und in den Dentisten bohrt sie ein kleines Loch. Die verzweifelte Frau, großartig dargestellt von Frances McDormand, hebt die aus Restreligiosität, autoritärem Charakter und Identitätsgedöns ohnehin nur mühsam zusammengeflickte zivilisatorische Decke, und was darunter zum Vorschein kommt, ist erschreckend, aber auch sehr, sehr lächerlich.
Dabei versucht »Three Billboards« nicht, Gewalt gegen Frauen, Polizeigewalt oder Rassismus zu gesellschaftlichen Randphänomenen zu verklären. Vielmehr meint selbst der Polizeichef: »Wenn Sie alle Rassisten aus der Polizei entfernen, bleiben noch drei übrig, und das sind überzeugte Schwulenhasser.« Als der sterbende Willoughby Mildred zu Hause aufsucht und ihr erklärt, er habe in dem Mordfall alles getan, was er tun könne, aber »diese drei Billboards« seien angesichts seines nahenden Todes »nicht besonders fair«, antwortet sie ihm: »Deswegen habe ich sie jetzt aufgestellt. Wenn Sie tot sind, bringen sie ja nichts mehr.«
Auch wenn McDonagh manche Figuren zu klischeehaft geraten (so werden etwa junge Frauen mehrmals als dummes Männer-Beiwerk präsentiert) und einige Szenen die Kitschgrenze knapp hinter sich lassen: »Three Billboards« ist ein komisch-garstiger Film, den man ab 25. Januar in deutschen Kinos wird sehen können. Man sollte.