Humorkritik | Oktober 2016
Oktober 2016
»Nicht lachen dürfen heißt eine Sache nicht ernst nehmen müssen. Nur wenn auch Lachen erlaubt ist, kann man gerecht sein.«
Hermann Kant
Luft, antiquarisch
Seit gut vierzig Jahren gibt Hermann L. Gremliza die Zeitschrift Konkret heraus und schreibt dafür monatlich Kolumnen. Seine neueste Aufsatz- und Aphorismensammlung »Haupt- und Nebensätze« ist im September in der »edition suhrkamp« erschienen. Gremliza hat ein einfaches Weltbild: Er ist dagegen. Der Ansatz ist mir sympathisch, dessen Ausdruck nicht unbedingt: Schon die drei Motti, die Gremliza seiner Auswahl voranstellt – von J. W. Goethe, O. Wilde und H. L. G. persönlich –, sichern ihn ab: wird der Autor mißverstanden oder seine Meinung nicht geteilt, ist der Leser selber schuld.
Immer im Recht zu sein wirkt auf Dauer ermüdend, zumindest auf mich, und zumal, wenn es stets um so große Themen geht: Kapitalismus, Nationalismus, Rassismus. Natürlich lese ich es gern, wenn aufgeblasene Autoritäten – H. Schmidt, J. Gauck, G. Gysi – angestochen werden, doch die Luft, die hier entweicht, ist nicht mehr heiß und riecht ein wenig abgestanden. Der Wiener Witz – Kraus, Polgar, Friedell –, der Gremlizas Konkret-Kolumnen einst erfrischte, ist selten spürbar. Manchmal aber doch, etwa in meinem Lieblingsbeispiel auf Seite 26: »Ein Experte für Antiquitäten, der im Bayerischen Fernsehen sagen wollte, in welchem Jahr eine Vase hergestellt worden sei, wußte es genau: ›1933, bei der Ankunft der Nazis in Deutschland‹. Sie kamen von Madagaskar und hatten die Pest an Bord. 1945 zogen sie weiter in alle Welt, wo sie nun von deutschen Soldaten aufgespürt und unschädlich gemacht wurden.«
Mag sein, daß mein Unterhaltungsbedürfnis angesichts aller Mißstände ein wenig frivol wirkt – etwas mehr Rücksicht darauf und etwas mehr Kommentare wie diesen hätte ich mir allerdings schon gewünscht.