Humorkritik | Januar 2015

Januar 2015

Unsere wohltemperierten Humoristen mit ihrem behaglichen Lächeln der Philister-Toleranz (die im Grunde Überhebung ist) haben sich leider von den dunklen Quellen allen Humors so weit entfernt, daß sie glauben, Humor sei identisch mit dem, was sie Optimismus nennen.
Otto Julius Bierbaum

Das erst kürzlich entjungferte Mädchen

Ratgeberliteratur ist nicht erst seit unseren Tagen ein beliebtes Motiv für Parodisten. In den 1960er Jahren veröffentlichte der amerikanische Illustrator Edward Gorey unter dem Pseudonym »Hyacinthe Phypps« ein etwa fünfzig Seiten fassendes Werk, das sich an frisch deflorierte Mädchen wandte und diesen die richtigen Worte für jede Lage zu liefern versprach.

Nun, nach fünf Jahrzehnten, ist im Lilienfeld Verlag die deutsche Übersetzung erschienen: »Das erst kürzlich entjungferte Mädchen«. Das Büchlein bezieht seinen Witz hauptsächlich aus den skurrilen Konstellationen der jeweiligen Entjungferung: »Entjungferung während der Seance«, »Entjungfert vom Marimbaspieler« oder – Ihres alten Mentzens Favorit – »Entjungfert vom chinesischen Detektiv«. Die Schilderungen der zwanzig Beispiele sind nur wenige Sätze lang, dazu folgt am Schluß jedes Mal ein ironisch-moralischer Kommentar.

Die Szenen und Personen müssen zumindest in den sechziger Jahren Schauer der Verstörung erzeugt haben. Ein Beispiel? Nach der »Entjungferung beim Babysitten« fragt das Mädchen: »Wo ist das Baby?« Sagt er: »Ich bin das Baby.« Zusammenfassender Kommentar: »Als Babysitterin solltest du immer darauf bestehen, auch die Eltern des Kindes kennenzulernen.«

Meister Goreys Illustrationen kommen dem schmalen Band ungemein zugute, aufs herrlichste kontrastiert ihre viktorianische Aufgeräumtheit und Zurückhaltung mit den geschilderten Begebenheiten. Von Miss Phypps ist laut Autorenbeschreibung noch zu sagen, daß sie »zeit ihres Lebens unverheiratet« blieb; sie »starb glücklich im Kreise ihrer Bridgepartnerinnen in New York«. Edward Gorey hingegen, der auch als Illustrator für Werke anderer Autoren tätig war, starb im Jahr 2000 zwischen Büchern und Katzen auf Cape Cod und vererbte sein Vermögen dem Tierschutz. Von ihm sind im Lilienfeld Verlag auch die schönen und nicht minder melancholisch-skurrilen Bände »Ein fragwürdiger Gast« und »Die Wasserblüte« erschienen, die ich, wo ich nun schon dabei bin, ebenso herzlich empfehle.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg