Humorkritik | Juni 2013

Juni 2013

Humor im Klein-Format

Daß über Angela Merkel wenig Interessantes zu enthüllen ist, beweisen gerade jene angestrengt wirkenden Merkel-Enthüllungsbücher, die mit der Kanzlerin vor allem eine Eigenschaft teilen – die Ödnis. Daher habe ich mich auch nie mit der Frage befaßt, ob die Kanzlerin denn über Humor verfüge, und falls ja, über was für einen. Dann aber gelangte ich auf krummen Wegen in den Besitz von Georg Kleins Buch »Schund & Segen. Siebenundsiebzig abverlangte Texte« (Rowohlt).

Ich kenne Georg Klein nicht, aber gerade deshalb studierte ich seine Aufsätze unvoreingenommen, zum Beispiel jenen aus dem September 2009 über eben Frau Merkel, in welchem steht: »Wir kennen Angela Merkel nicht; aber wir zweifeln nicht an ihrem Humor.« Das kann man ja durchaus mal so in den Raum stellen. »Das heißt nicht, daß sie öffentlich den patenten Spaßvogel oder den gewieften Witzbold gibt.« Den gibt sie in der Tat nicht. »Wie wenige andere versagt sie sich die allzu billige Ironie, den hohl polternden Sarkasmus, die steile zynische Spitze, also all das, was in unserer Kultur zum Ausweis einer Intelligenz wird, die ihre alltägliche Ohnmacht mit rhetorischen Tricks zu kaschieren sucht.« 

Spätestens an dieser Stelle kann ich mir nicht versagen festzustellen, wie hier doch ein wenig steil tricksend kaschiert wird, daß Klein recht wenig zu sagen weiß, und zwar sowohl über Merkel als auch den Humor. Ja, daß er sogar offenkundigen Unsinn von sich gibt: »Schade, daß die öffentlichen Bühnen dem Merkelschen Humor so wenig Spielraum bieten!« Wer immer diese öffentlichen Bühnen sein mögen – die also sind schuld. »Wenn ihr in relativ kleinem Rahmen wie vor kurzem im Hamburger Thalia-Theater die üblichen Scheinfragen gestellt werden, läßt sie die Anwesenden miterleben, wie schlagfertig und human humorvoll sie sein kann.« 

Die »üblichen Scheinfragen«, »human humorvoll« – es ist allerhand. »So müssen wir uns mit homöopathischen Dosen des Merkelschen Humors begnügen« – fürwahr, das müssen wir. Und irgendwie und irgendwann, zum Beispiel »wenn unsere Bundeskanzlerin zwischen den zähnebleckenden Grinsern der internationalen Politik nur mit kleinem Mund lächelt und dazu den Kopf ein wenig zwischen die Schultern zieht, ahnen wir, welch schöner, in gutem Sinne altdeutsch provinzieller Schalk in diesem Nacken sitzt.«

Fast war ich soweit, darüber nachzusinnen, was denn wohl »in gutem Sinne altdeutsch provinzieller Schalk« sein mag – da zog ich auch schon beschämt den Kopf ein wenig zwischen die Schultern, und mit sehr kleinem Mund lächelnd gestand ich mir ein: Ich kenne Georg Klein nicht; aber ich zweifle nicht daran, daß es sich um einen besonders patenten Spaßvogel und gewieften Witzbold handelt, dessen Ironie ich auf den jungdeutsch urbanen Leim gegangen sein könnte.

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg