Humorkritik | Februar 2013

Februar 2013

Das Ernste

Eine »Switch«-Kopie in lahm, die »Heute- Show« geplündert, eine Katastrophe – die Meinungen zum ARD-Parodieformat »Das Ernste« waren einmütig; und nach der Erstsendung war es das Äußerste, »nette Ansätze« zu konzedieren. Nun verrät aber die schlechte journalistische Angewohnheit, quasi-gleichgeschaltete Generalmeinungen zu formulieren, nicht nur beim ermüdenden US-Serien-sind-das-Beste-Mantra mögliche Erkenntnis an die hippe Meinung der angeblich Informierten, weswegen ich nach Begutachtung des »Humorversuchs im Ersten« (Hamburger Abendblatt) sagen darf: Ich fand’s, sub specie des Gejammers, eigentlich ganz gut.

Bei »Switch«, der deutschen Referenz in Sachen Fernsehparodie, darf nämlich auffallen, daß mimetische Perfektion dem komischen Effekt auch abträglich sein kann; und wenn der Fernsehbeauftragte der FAS bereits Verwirrung angemeldet hat, was hier Original und was Fälschung sei, und »Die Geissens« bei »Switch« viel besser, nämlich im hyperrealistischen Sinn originaler sind als die Originale von RTL2, dann stelle auch ich mir die Frage, ob das noch komisch oder nur Kunst ist, also Pastiche statt Parodie.

Also wäre die satirische Trutschigkeit von »Das Ernste« die Not als Tugend, indem die Parodie als Karikatur wieder zu sich selbst kommt: Dem großäugigen Fußballer Özil untertassengroße Kontaktlinsen zu verpassen ist zwar wenig elegant, aber plausibel, und warum die entstellenden Masken von Merkel und Steinbrück ein Komikhindernis sein sollen (und nicht vielleicht das Gegenteil), weiß das Feuilleton allein.

Obwohl die Parodien solide, die von Merkel und D. Nuhr sogar viel besser sind als beim großen Vorbild, ist der Illusionseffekt schon deshalb nicht derselbe, weil »Switch« zugleich Fernsehen as such parodiert, was das »Ernste« als nicht sehr glücklicher Mix aus Tagesthemen-Fiktion und Scherzreklame nicht leisten kann. Trotzdem habe ich beim »Ernsten« weder Tina Hausten noch Olaf Schubert (»Heute- Show«) vermißt; aber für die Frage »Todesfalle Tod: Müssen wir alle sterben?« überweise Frontmann Florian Schroeder bitte einen Betrag seiner Wahl an TITANIC 5/2005. Und Mesut Özil als agrammatisch stammelnden Jungtürkentrottel vorzuführen ist nicht zum Lachen, sondern bloß die übliche Kanakenverachtung der Mehrheit.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg