Humorkritik | Oktober 2011
Oktober 2011

Winnetou August
Theodor Buhls zu Recht vielgepriesener Roman »Winnetou August« (Eichborn) spielt – falls hier »spielen« das richtige Wort ist – 1945 in Schlesien und in den daran angrenzenden Regionen, in die es eine kleine deutsche Flüchtlingsfamilie verschlägt. Was der kindliche Ich-Erzähler zu berichten hat, ist großenteils schauerlich und mitunter grauenerregend, doch es gibt auch Passagen von drastischer Komik. Als das Tausendjährige Reich noch besteht, sieht sich August, der Vater des Erzählers, als kleiner Beamter dazu gezwungen, in seinem Arbeitszimmer ein Führerbild aufzuhängen, und er wählt dafür, um es nicht ständig vor Augen zu haben, die Wand hinter seinem Schreibtischstuhl: »Soll ich mir das Arschloch dauernd ansehn?!« Daraus ergibt sich ein unangenehmer Effekt für die Besucher und ein erheiternder für den Leser: »Wenn August am Schreibtisch saß, sah er ihn nicht – aber wenn man in das Herrenzimmer reinkam, wurde man sofort vom Arschloch bohrend angeguckt.«
In Buhls aus eigenem Erleben gespeisten und gesättigten Roman dienen die propagandistischen Bildnisse Hitlers als running gag: Ein andermal darf sich der Sohnemann Willy etwas wünschen, und seine Wahl fällt auf eine Hitlerbüste aus Gips. Der Vater ist entgeistert und erklärt seinen Sohn für bescheuert, doch da mischt sich ein SA-Mann ein (»Der Junge will den Führer!«), und nachdem die Skulptur notgedrungen angeschafft worden ist, setzt sich der erzürnte Vater mit der Mutter zusammen und erzählt ihr von dem Vorfall. »›So ein Rindvieh!‹ hörte man und: ›Diese Flasche! – Mir kommt der Rogen hoch! … Und der Heini von der Kackegarde gleich daneben! Das passiert mir nicht ein zweites Mal mit ihm, verlaß dich drauf!‹«
Adolf Hitler als das bohrend guckende »Arschloch« und die SA als »Kackegarde«: Ich weiß nicht, ob das Volk tatsächlich so gesprochen hat. Es hat damit ohnehin nichts gegen die Nazis ausgerichtet. Doch reizt diese fäkalhumoristische Abwertung des Tausendjährigen Reichs immerhin zum Lachen. Jedenfalls mich.