Humorkritik | März 2011

März 2011

Rentnersplatter

In den exklusiver bestückten Programmkinos ist dieser Tage auch »Trash Humpers« angelaufen, das neue Werk des amerikanischen Ex-Junkies, Ex-Profiskateboarders und nun anscheinend auch Ex-Filmemachers Harmony Korine. »Trash Humpers« nämlich hat mit der gängigen Definition von Film praktisch nichts mehr zu tun, eher gleicht das wacklige Werk einem Stück aufgenommener Performancekunst oder einer alptraumhaft-kitschigen Vaudeville-Show.

 

Keine Exposition, keine Wendepunkte, keine Charaktertiefe und kein richtiges Ende, Stimmung geht jederzeit über Handlung. Widmete Korine sich in früheren Werken gerne Problemjugendlichen (»Kids«, 1995), zeigt er uns hier die eigentliche No-Future-Generation: die Senioren. Wer bereits seine eigenen Großeltern für Spinner hielt, kann froh sein, nicht in Korines Nachbarschaft aufgewachsen zu sein, wo er als Kind von einer Bande perverser Alter terrorisiert wurde, die ihm nun als Inspiration zu »Trash Humpers« (»Müllbespringer«) dienten. 78 Minuten lang begleiten wir asoziale Opas und Omas, die unter Brücken hausen, sich betrinken, animalisch kreischen und eine Spur der Verwüstung hinterlassen, während sie Kinder belästigen und vor allem sehr viel Sex mit Mülltonnen praktizieren.

 

Genervt von den bürokratischen Produktionsbedingungen seines letzten Filmes, der acht Millionen Dollar teuren und grandios gefloppten Komödie »Mister Lonely«, beschloß Korine diesmal eine radikale Abkehr vom massentauglichen Kino. Aufgenommen wurde auf VHS, ohne Drehbuch, mit billigen Masken und Freunden als Darstellern. »Trash Humpers« wäre eher ein Fall fürs Pathologische Archiv; daß der Film aber dennoch weltweit auf Filmfestivals lief und es nun sogar in ausgewählte Kinos schafft, liegt wohl an Korines Hipster-Status in der Independent-Szene. Seine Fans verzeihen ihm kritiklos jeden Schmarren und ersteigern im Internet sein vergriffenes Buch (dt. Titel: »Wunschzettel eines Bastards«, Tropen Verlag, 1999) inzwischen für dreistellige Beträge.

 

Korine selbst beschreibt »Trash Humpers« als »Mischung aus Buster Keaton und Snuff-Movies«. Die Filmkritik findet weniger schmeichelhafte Worte und spricht von der nervenaufreibendsten Zeitverschwendung des Jahres oder dem Gefühl einer Zahnwurzelbehandlung ohne Narkose. Aber wer sagt, daß nicht auch eine Zahnwurzelbehandlung ihre komischen Momente haben kann? Die Müllbespringerstudie ist, wie schon Korines frühere Filme, oft plump provokativ oder schlichtweg langweilig – bis sie mich dann mit zwei, drei Szenen überraschte, die derart faszinierten und sich einprägten, daß ich heute noch davon, nun ja, zehre.

 

Die vielleicht schönste, weil witzigste Szene ist der pathetische Monolog eines Irren im hinten offenen Operationskleidchen, der in einem schummrigen Raum herumlungernden Senioren die Vorzüge eines kopflosen Lebens predigt: »Köpfe?… Es wäre nett, ohne Kopf zu leben. Stellt euch vor, wieviel Geld wir für Shampoo und Hüte sparen würden! Eure Ohren wären in der Achselhöhle und Models würden nach ihren Schultern beurteilt!«

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
08.05.2024 Wiesbaden, Schlachthof Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella
09.05.2024 München, Volkstheater Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
10.05.2024 Weil am Rhein, Kulturzentrum Kesselhaus Thomas Gsella