Humorkritik | März 2010
März 2010
Privilegierter Abgang
Über diesen Vorgang wurde auch in der deutschen Presse berichtet, in den USA löste er eine mediale Hysterie aus wie hier zuletzt nur Nationaltorhüter: Conan O’Brien, der erst vor sieben Monaten die Ursprungs-Late-Night-Sendung »The Tonight Show« übernommen hatte, verlor diese wieder, weil sein Vorgänger Jay Leno auf seinem neuen Sendeplatz schlechte Quoten erzielte und O’Brien nicht willens war, für Leno den traditionellen 23.30 Uhr-Sendetermin wieder freizumachen. O’Brien handelte für das Ende seines Lebenstraums, ein Nachfolger Johnny Carsons zu sein, für sich und seine Angestellten ca. 45 Millionen Dollar Abfindung aus (was etwas weniger ist als die Kosten des nun nutzlosen Studios, das NBC für seine Show bauen ließ).
Diese recht plötzliche Abwicklung nutzte O’Brien, um in der letzten Sendewoche weidlich, ideenreich und unbeugsam über den eigenen Arbeitgeber herzuziehen – ein Privileg, von dem die vielen Menschen, die so etwas auf wesentlich existentiellere Weise erwischt, nur träumen können.
Da zelebrierte also ein vollkommen überbezahlter Mann in einem Land mit stetig steigender Arbeitslosigkeit seine Entlassung mit ordentlicher Wut im Bauch und wurde dafür gefeiert; statt ihm etwa vorzuwerfen, daß er erst dann sein ganzes Können zeigt, wenn er sich persönlich getroffen fühlt. So war es nur konsequent, daß O’Brien die allerletzte Sendung professionell, versöhnlich und einigermaßen sentimental gestaltete. Denn einen kompletten Bruch zu vollführen mit Form, Sender, System und der bewußten Oberflächlichkeit dessen, was nicht mehr sein will (und höchstwahrscheinlich kann) als unterhaltsame Triebabfuhr im Medium des falschen Lebens, wäre unmöglich gewesen: Schließlich darf er gemäß Auflösungsvertrag in sieben Monaten, dann auf einem anderen Sender, wieder eine neue Show moderieren.