Inhalt der Printausgabe

Mai 2006


Die Allerunausstehlichste
Ein unerledigter Fall in gebotener Kürze
(Seite 1 von 2)

     Juli Zeh
Juli Zeh
1999 erhält die Juristin und Studentin am Leipziger Literaturinstitut Juli Zeh (*1974) den Preis für Essayistik der Humboldt-Universität Berlin, ein Jahr später den Förderpreis zum Caroline-Schlegel-Preis für Essayistik, und zwar für einen Aufsatz titels »Justitia in Schlaghosen«, der Esprit und Eleganz ganz vorbildlich vereint: »Ein solches Procedere ist einerseits in hohem Maße durchlässig für gesellschaftliche Entwicklungen und die sich daraus ergebenden Interessen. Andererseits ist es behäbig in seiner Arbeitsweise und hat retardierenden Effekt. Damit ist das zentrale Paradoxon benannt, das die Rechtserschaffung im modernen demokratischen Staat beherrscht. Eine komplexe, von ansteigendem Wandlungstempo bestimmte Gesellschaft verlangt nach einem Recht, das einerseits dynamische Impulse in sich aufnimmt und in entwicklungsfördernder Geschwindigkeit umsetzt, andererseits aber die demokratische Interessenabwägung abbildet.«
2002 erhält Juli Zeh, nach einer Gastdozentur am Leipziger Literaturinstitut, den Bremer Literaturpreis (Förderpreis), den Rauriser Literaturpreis sowie den Deutschen Bücherpreis, 2003 den Hölderlin-Förderpreis und den Ernst-Toller-Preis für ihren in 27 Sprachen übersetzten Roman »Adler und Engel«, der sich durch seine subtil-gewagte, in jedem Fall nahezu perfekte und mitunter hölderlinsche Sprache auszeichnet: »Mir wurde schlagartig klar, daß ich mich auf fatale Weise geirrt hatte … Manchmal, wenn ich in die Luft starrte, anstatt zu arbeiten, stellte ich mir zum Spaß vor, ihr perfekt rosafarbener Mund würde sich plötzlich verspannen und durch die aufeinandergepreßten Lippen würde sich aus ihrem Gesicht heraus eine dicke braune Wurst Scheiße schieben.«
Im Jahr 2005 nimmt Juli Zeh (Schöffling-Verlag), »eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen ihrer Generation« (Schöffling-Verlag), den Literaturpreis der Bonner LESE entgegen, nachdem sie im Jahr zuvor mit dem Roman »Spieltrieb« eine apart artistische Mischung aus Nabokov und Musil abgeliefert hat: »Sie sah aus wie eine weißhäutige Carmen und führte heißes Blut in den Adern … Plötzlich klatschten seine Hände hart gegen ihre Stirn, er schob sie von sich und zog sich zurück, und als er seinen Schwanz gerade aus ihrem Gesicht herausgebracht hatte, spritzte er ab und traf sie mitten ins Gesicht.«

1 | 2   


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt